Der Australier Nicholas Milton ist ab der Saison 2021/22 neuer Chefdirigent am Stadttheater Klagenfurt. Ein Gespräch über seine französische Mutter, eine Grammy-Nominierung und das Wandern im Wald.
von Helmut Christian / Kleine Zeitung
Wie kommt es, dass Sie so gut Deutsch sprechen?
Nicholas Milton: Das ist sehr freundlich, aber mein Deutsch ist alles andere als perfekt. Ich hoffe, ich kann es in Zukunft noch verbessern. Für mich war Deutschland „das“ Land der Orchester. Deshalb wollte ich schon relativ früh in meinem Leben dorthin. Und als ich meine erste Chefstelle 2004 bei der Jenaer Philharmonie bekam, begann ich intensiv Deutsch zu lernen.
Aus welchem Grund wurden Sie eigentlich Musiker?
Meine Mutter ist Französin und Musikliebhaberin. Wenn sie die „Ungarischen Tänze“ von Brahms hört, beginnt sie sofort zu weinen. Sie nimmt jetzt mit 86 Jahren noch Klavierunterricht. Und alle ihre vier Söhne wurden Profigeiger. Mein ungarischer Vater war im Computerbereich tätig. Eigentlich war unser Familienname Molnár, was auf Deutsch Müller und auf Englisch Miller heißt. Aus Miller wurde dann Milton.
Sie waren mit 19 Jahren beim Adelaide Symphony Orchestra der jüngste Konzertmeister in Australien. Wie kam dann zum Wunsch, Dirigent zu werden?
Während meiner sieben Jahre als Konzertmeister wurde ich immer wieder dazu aufgefordert, selbst Konzerte zu dirigieren. Nach einigen Erfolgen in Wettbewerben ist mir klar geworden, dass ich mich ausschließlich dem Dirigieren widmen möchte.
Was empfinden Sie als Ihre bisherigen Karriere-Highlights?
Als ich zum ersten Mal an der Wiener Volksoper die „Fledermaus“ von Alfred Eschwé übernehmen durfte. Ich hatte zuvor sein wunderbares Dirigat beobachtet und erklärte ihm, dass ich das nicht zusammenbringe. Er machte mir Mut und ich bin bis heute dankbar, dass ich so viele Vorstellungen in diesem großartigen Haus dirigieren durfte. Auch meine ersten Produktionen an der Deutschen Oper Berlin waren unbestreitbare Highlights. Und alle jene Momente, die uns Musiker und das Publikum emotional voll treffen. Ich erinnere mich an ein Konzert mit Tschaikowskis „Pathetique“, die ja bekanntlich ganz leise und sterbend endet. Da gab es dann vor lauter Ergriffenheit zwei Minuten absolute Stille, manche haben sogar geweint.
Sie haben ein riesiges Opern- und Konzertrepertoire, vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik und schon an die 60 teils prämierte CDs aufgenommen. Gibt es da ein absolutes Lieblingswerk?
Immer jenes ganz besonders, das ich gerade dirigiere. Es war für mich aufregend, für den Grammy nominiert zu werden und ich bin auch sehr stolz auf die Serie von Aufnahmen mit dem Konzerthausorchester Berlin von vergessenen, jüdischen Komponisten.
Welche Pläne gibt es noch bis zum Amtsantritt in Klagenfurt?
Wir nehmen jetzt in Göttingen einen kompletten Brahms-Zyklus auf CD auf, denn Brahms hat auch in dieser Stadt gewirkt. Geplant sind weiters „Don Giovanni“ und „Tosca“ an der Deutschen Oper Berlin. Auch werde ich am Sydney Opera House „Butterfly“ und „Bohème“ dirigieren.
Sie haben an vielen großen Häusern und viele bedeutende Orchester dirigiert. Warum ist die Wahl auf Klagenfurt gefallen?
Ich bin seit 2018 Künstlerischer Leiter des Göttinger Symphonie Orchesters und da dirigiere ich nur Konzerte. Ich liebe aber auch die Arbeit am Theater, die vielseitige Möglichkeiten bietet. Und bei meinen Dirigaten beim Kärntner Sinfonieorchester in Klagenfurt und Ossiach habe ich gemerkt, dass die Chemie mit den Musikern stimmt. So habe ich, als mich das Orchester erwählt hat, sofort zugesagt und freue mich riesig auf meine Aufgabe in Klagenfurt. Ich schätze hier die Spielfreude und die Offenheit der Musiker.
Sie starten mit Richard Wagners „Walküre“. Ist das für ein kleineres Haus wie das Stadttheater, speziell für das Orchester, nicht eine große Herausforderung?
Als Konzertmeister habe ich den ersten „Ring“-Zyklus in Australien geleitet, und ich war Assistent von Jeffrey Tate, der wiederum Assistent von Boulez in Bayreuth war. Meine Liebesbeziehung zur Musik von Wagner lässt sich darauf zurückführen. Ich freue mich sehr darauf, meine Amtszeit in Klagenfurt mit dieser Musik zu beginnen, die so perfekt die Tiefen der menschlichen Existenz auslotet. In einer Zeit, in der die Menschheit unter einer Pandemie leidet, bietet diese Musik Aufklärung, Inspiration und Hoffnung.
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Mit Wandern im Wald, Schwimmen – da freue ich mich schon auf den Wörthersee –, Lesen auch Kochen und Schachspielen.
Bei der Pressekonferenz haben Sie erzählt, dass Sie einen längeren Waldspaziergang mit Stadttheater-Intendant Aron Stiehl gemacht haben.
Ja, das war wunderbar. Wir sind fast 15 Kilometer gegangen. Währenddessen wurde Aron Stiehl ständig von Leuten auf das Theater angesprochen. Das hat mir gezeigt, wie wichtig das Stadttheater für die Gesellschaft in Klagenfurt ist und wie wichtig es ist, den Menschen durch die Magie der Musik Freude zu bringen.
Mit welchen Wünschen kommen Sie nach Klagenfurt?
Ich komme hierher, um die Herzen der Kärntner zu bewegen. Ich möchte Geschichten erzählen, Momente der Emotionalität und Spontanität erzeugen und die Menschen mit Musik verzaubern.
ZUR PERSON
Nicholas Milton. Geboren 1967 in Sydney, Australien. Studierte Violine, Dirigieren, Musiktheorie und Philosophie. War mit 19 Jahren Australiens jüngster Konzertmeister beim Adelaide Symphony Orchestra. Verlagerte seine Tätigkeit zunehmend auf das Dirigieren. Zuletzt 2014 bis 2018 Generalmusikdirektor am Saarländischen Staatstheater, danach Chefdirigent am Göttinger Symphonie Orchester. Hat an zahlreichen Opernhäusern dirigiert, darunter Deutsche Oper und Komische Oper Berlin.
Lebt mit seiner Ehefrau Rosa Donata Milton in Weimar und Göttingen.