19. November 2020

„Die Welt ist um eine Farbe ärmer geworden“

Stadttheater-Intendant Aron Stiehl eröffnet die nächste Saison mit der „Walküre“. Ein Gespräch über das derzeit geschlossene Haus, die Teilung des Orchesters und die Probleme einer Landesbühne.

von Marianne Fischer / Foto (c) Helge Bauer

ARON STIEHL: Die nächste Premiere ist der „Barbier von Sevilla“ am 12. Dezember. Dafür wird das Orchester in zwei kleinere Orchester geteilt, die untereinander keinen Kontakt haben werden. So soll ausgeschlossen werden, dass wir mit Klavier spielen müssen, wie es bei „Elektra“ passiert ist. Zum Glück ist mittlerweile auch die Fünf-Meter-Regel, die es nur in Kärnten so gab, ist aufgehoben.

Welche Regel war das?
Vom Land Kärnten wurde uns vorgeschrieben, dass jeder Orchestermusiker, der im Umkreis von fünf Metern eines positiv getesteten Mitglieds sitzt, in Quarantäne muss. Deshalb war praktisch das ganze Orchester zwei Mal in Quarantäne. In Kärnten gilt nun, wie überall, eine Zwei-Meter-Regel. Ich möchte nochmals betonen: Bisher hat sich dank unserer strengen Corona-Sicherheitsregeln im Theater niemand angesteckt, weder hinter der Bühne noch im Zuschauerraum.

Das Haus ist auch wieder in Kurzarbeit?
Ja, wir haben bis Ende März Kurzarbeit angemeldet. Diese ist aber so flexibel, dass wir auf die jeweiligen Verordnungen der Bundesregierung reagieren können.

Sie gehen davon aus, dass es bis Ende März nicht besser wird?
Ich habe meine Glaskugel befragt, die mir aber leider auch keine eindeutige Antwort geben konnte. Wir müssen wie die Politik auf Sicht fahren. Wir hoffen allerdings, dass wir ab 7. Dezember spielen dürfen.

Ärgert es Sie, dass die Kultureinrichtungen schon beim „Lockdown light“ schließen mussten?
Bei allem Verständnis für die Maßnahmen: Wir haben uns schon gefragt, warum gerade die Kultur im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen so massiv eingeschränkt wurde. Kunst und Kultur sind ja wesentlich für eine Gesellschaft, gerade auch in Corona-Zeiten. Wie können wir der Einsamkeit, wie der sozialen Kälte entgehen? Es ist schade, dass die Welt um eine Farbe ärmer geworden ist, da Kunst und Kultur schweigen müssen. Ein Theater kann genauso viel Kraft, Energie und Optimismus spenden wie ein Gottesdienst. Das sollte man nicht vergessen.

Das Theater macht die Loge Nr. 10 zur Bühne und hat Wegbegleiter eingeladen, Gedanken, Texte oder Musik in Videos zu teilen, die auf der Homepage zu sehen sind. Sie haben einen Text „Gegen den Hass“ gelesen. Warum?
Weil der Hass zunehmend zum Problem wird, wir haben es ja in Wien gesehen. Auch einer der Gründe, warum ich Berlin verlassen wollte, war die dortige stetig wachsende Aggressivität. Das ist in Klagenfurt viel besser, aber ich merke auch hier, dass die Wut zunimmt. Deshalb bin ich froh, dass es bei uns im Theater so ein gutes Miteinander gibt. Bei uns arbeiten immerhin 265 Menschen aus 26 Nationen.

Apropos Miteinander: Sind die österreichischen Intendanten eigentlich vernetzt?
Ja, die Intendanten der Stadt- und Landestheater. Wir haben regelmäßig Videokonferenzen. Derzeit geht es natürlich viel um die Corona-Situation. Wir versuchen gerade, gemeinsam auf diese Lage zu reagieren. Was wir erreichen wollen ist, dass die Politik auf Augenhöhe mit uns spricht. Wir als Theaterleiter erfahren auch erst durch die Medien von den beschlossenen Maßnahmen, ohne dass wir in irgendeiner Weise eingebunden worden wären. Wir hätten gerne, dass man uns vor den Entscheidungen zumindest anhört.

Gibt es mit Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer einen Austausch?
Wenig. Sie hat vor allem die Bundestheater in Wien im Fokus. Die Kosten für die Testungen in den Bundestheatern wurden übernommen, außerdem gibt es eine Ausfallsgarantie für die coronabedingten Einnahmenverluste, was ich als höchst anständig empfinde. Die anderen Theater von Graz bis Innsbruck müssen bis dato für die Testungen selbst aufkommen. Für Ausfälle sind noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen, was uns die Planung für die Zukunft nicht einfacher macht.

Steht das Budget für das nächste Jahr schon fest? Der Theaterausschuss hat ja schon getagt.
Wir sind diesbezüglich in guten Gesprächen mit Stadt und Land, die Lage ist ernst, aber wir sind zuversichtlich, eine Lösung zu finden.

Wie geht es Ihnen mit der Planung der nächsten Saison?
Das „Dschungelbuch“ wird wieder aufgenommen, da wir in dieser Spielzeit wahrscheinlich nur fünf Vorstellungen spielen können. Die nächste Saison eröffnen wir mit einem Paukenschlag, nämlich mit der „Walküre“ von Richard Wagner. Der „Ring des Nibelungen“ wird unser großes Zukunftsprojekt für die nächsten vier Spielzeiten sein. Dieses Werk könnte nicht besser für die jetzige Situation in der Welt passen: Es thematisiert ja das Verhältnis von Mensch und Natur und die Gefahr der Selbstzerstörung der Menschen durch sich selbst.