Der Tod und das Mädchen hat Regisseurin Mira Stadler schon lange interessiert. Ariel Dorfmans Thriller, uraufgeführt 1991, von Roman Polanski verfilmt und vielfach preisgekrönt, spielt in einem nicht näher bezeichneten lateinamerikanischen Staat (mit Parallelen zur Militärdiktatur Pinochets in Chile), der nach Jahren mörderischer Diktatur bemüht ist, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verfolgen und die Opfer zu rehabilitieren. Nun widmet sich die gebürtige Klagenfurterin, die mit ihren Arbeiten u. a. am Münchner Residenztheater, Burgtheater oder bei CarinthiJA2020 aufhorchen ließ, diesem »Juwel mit großer Aktualität«. Nico Mohammadi gestaltet die Musik zur Inszenierung, auf der Bühne stehen Anne Müller, Dominik Warta und Thomas Gräßle.
Welche Schwerpunkte setzen Sie in dieser Regiearbeit?
Für mich sind die zwischenmenschlichen Beziehungen der Figuren sehr wichtig. Es gibt drei Protagonist*innen, die in einer Extremsituation aufeinandertreff en. Außerdem interessiert mich die grundsätzliche Frage nach der Wahrheit, die im Stück eine wesentliche Rolle spielt. Ist die Wahrheit das Gegenteil der Lüge oder der Illusion? Gibt es überhaupt die eine, richtige, objektive Wahrheit? Oder können mehrere koexistieren.
Als politische Aktivistin wurde Paulina Salas einst Opfer von Verschleppung, Folter und Vergewaltigung. Als sie in einem Fremden ihren früheren Peiniger wiederzukennen glaubt, will sie ihm unter Androhung von Gewalt ein Geständnis abtrotzen. Zum Richter in diesem Tribunal setzt sie ihren Mann, einen Rechtsanwalt ein … Gewalt mit Gewalt vergelten oder ein fairer Prozess – welcher Konflikt entsteht im Stück und was bedeutet er für die beiden Eheleute?
Auf der einen Seite gibt es den persönlichen, emotionalen Umgang mit einem Menschen, der ein Verbrechen begangen hat: Wünscht man ihm den Tod? Je nach Härte des Verbrechens wahrscheinlich ja. Aber was passiert andererseits, wenn dieser vermeintliche Verbrecher plötzlich im eigenen Wohnzimmer steht? Rächt man sich? Oder wartet auf einen rechtgemäßen Prozess. Was unser Rechtsstaat vorgibt ist klar: natürlich darf Gewalt mit Gewalt nicht vergolten werden. Das ist das Prinzip unserer modernen Zivilisation. Aber steckt vielleicht der Wunsch nach Selbstjustiz in uns drin? Wie die beiden Eheleute im Stück damit umgehen, wird das Publikum in den Vorstellungen erfahren.
Schuberts Streichquartett Nr. 14 in d-Moll »Der Tod und das Mädchen« ist titelgebend. Welche Rolle spielt Musik in Ihrer Inszenierung?
Das Streichquartett an sich spielt natürlich eine wichtige Rolle im Verlauf des Stücks. Jedoch ist das Musikstück für die Protagonistin negativ behaftet. Deswegen arbeiten Nico Mohammadi und ich an elektronischen Rekompositionen, die das Orginal verfremden und das Mindset der Protagonistin widerspiegeln. Ansonsten kann man sich musikalisch über viel tolle elektronische Kompositionen von Nico freuen.
Foto: Matthias Horn