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19. Mai 2025

»Keine andere Spezies verhält sich so barbarisch«

(Kurier / Gert Korentschnig)

Bildende Kunst und Musiktheater – das ist eine seit Jahrhunderten gelebte Symbiose. Von Karl Friedrich Schinkel bis Georg Baselitz, von Paul von Jukowsky bis Hermann Nitsch – immer wieder arbeiten sich Maler und Bildhauer, Architekten und Designer an der Musik ab, mit unterschiedlichem Erfolg. Eine Bereicherung ist es aber zumeist, für beide Seiten.

Nun stellt sich auch die Wiener Malerin, Bildhauerin und Fotografin Sabine Wiedenhofer dieser Herausforderung und setzt am Stadttheater Klagenfurt die »Messa da Requiem« von Giuseppe Verdi optisch um (Premiere ist am 31. Mai). Es ist keine Inszenierung, wie sie etwa Romeo Castellucci bei Mozarts »Requiem« realisiert hat, soll aber eine kraftvolle Bebilderung und Auseinandersetzung mit zentralen Themen unserer Zeit sein.

Debüt in Eisenstadt

»Ich habe zum ersten Mal im Haydnsaal in Eisenstadt für das Musiktheater gearbeitet«, erzählt Wiedenhofer. »Dort habe ich ein 9 mal 4 Meter großes Bühnenbild für Haydns ,Acide‘ gemalt.« Carolin Pienkos führte Regie, Cornelius Obonya war der Geschichtenerzähler. »Nun wollte das Stadttheater Klagenfurt, dass ich für das Verdi-Requiem ein 14 mal 10 Meter großes Bild male.«

Schon bald stellte sich jedoch heraus: Mit einem 100-köpfigen Chor auf der Bühne würde man nicht mehr viel davon sehen. »Vielleicht noch den Rahmen«, lächelt Wiedenhofer. »Also musste ich mir etwas völlig anderes einfallen lassen.«

Ihre Lösung: Sie malt kein Bild, sondern setzt die ganze Aufführung optisch um und kreiert auch das Licht und die Kostüme. Die Choristen stehen vereint für das Generalthema des Requiems, sie tragen weiße Totentücher, weiße Kopfbedeckungen und sind blass geschminkt. So werden sie zur lebenden Leinwand, auf die ein von Wiedenhofer gedrehter Film projiziert wird. »Nicht die ganze Zeit, die Zuseher sollen atmen können, aber etwa 38 Minuten.«

Vier Solisten symbolisieren die Hohepriester der letzten Menschen, sie sind die Fürbittenden und tragen betende Hände als zusätzlichen Kopfschmuck.

Totenmesse in Klagenfurt

Was sie dem Publikum damit sagen will? »Am Totenbett, vor Gott, vor dem letzten Gericht sind wir alle gleich. Macht und Reichtum spielen hier keine Rolle. Spätestens dann müssen wir uns für unsere Sünden verantworten.«

Verdi habe das »Requiem« für eine einzige Person komponiert (den Dichter Alessandro Manzoni, Anm.), das sei aus unserer Sicht »anmaßend und maßlos«, sagt Wiedenhofer. »Für mich ist dieses Requiem daher heute eine Totenmesse, die an uns alle und an unsere gemeinsame Mutter – nämlich auch an Mutter Erde – gerichtet ist. Der Chor symbolisiert die letzten verbliebenen Menschen, sie flehen um Gnade.«

Wie Menschen miteinander umgehen, sei für sie unerträglich. »Keine andere Spezies verhält sich so barbarisch. Und es ist auch inakzeptabel, wie wir unsere Erde behandeln.«

Einen Ausweg aus dieser Situation, so will es Wiedenhofer zeigen, gebe es nur gemeinsam. »Es liegt in unser aller Hand, wie es weitergeht. Wir alle sind Sünder, wir alle sind schuld an dieser Situation, an den Kriegen, an den Naturkatastrophen. Dabei ist Göttlichkeit in allen und in allem, in Menschen jeder Hautfarbe, in der Natur, in allen Wesen. Wir alle teilen diesen Planeten. Und wir glauben nur, dass wir die zivilisierte Welt sind.«

Zur Musik kommt sie – ebenso wie zur Bildenden Kunst – als Autodidaktin. »Ich habe mir Verdis Werk immer wieder angehört und es inhaliert. Es hat eine solche Kraft, aber auch eine solche Schwere. Ich kann mich dem nur mit meinen Mitteln nähern und versuchen, die Menschen zu berühren und vielleicht einige zum Umdenken zu bewegen. Die Hoffnung auf Vergebung existiert.«

Blut geleckt hat sie auf alle Fälle bei ihrer Auseinandersetzung mit Musik. Wie so viele bildende Künstler.