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6. Dezember 2021

Neue Impulse für die Operette

So manch eine/r hält die Operette für eine überkommene Kunstform mit veralteten, frauenfeindlichen und diskriminierenden Inhalten, die man von den Spielplänen nehmen sollte. Du liebst die Operette. Was schätzt du an diesem Genre besonders?
Aron Stiehl: Ich glaube, dass die Operette modern ist, sehr scharf sein kann und so heute wie früher die Gesellschaft beleuchten, widerspiegeln und kritisieren kann. Nicht so wie die ernste Oper oder das ernste Schauspiel, sondern eben wie die Komödie augenzwinkernd. Oder wie Till Eugenspiegel, wie ein Narr, der der Gesellschaft den Spiegel vorhalten kann, so dass man über sich selbst und über das Ganze lacht. Manchmal bleibt einem das Lachen auch im Hals stecken. Der Mensch, das Leben, sind nicht erklärbar. Unser Verstand ist zu klein, um das große Ganze zu fassen. Ich denke, dass dieses Lachen, das Operette evoziert, entblößend sein kann. Operette war immer politisch. Nach dem Weltkrieg in den 50er Jahren wurde sie geglättet und nett gemacht. Aber das entspricht nicht ihrem Wesen. Operette war immer böse, man denke nur an den Frosch in der Fledermaus. Lachen kann für den Menschen sehr heilsam sein, weil er erkennt, wo seine Grenzen sind. Letztendlich ist das Leben eine Groteske. Man sieht es an dem wunderbaren, großen Verdi, der Tragödien, große Opern geschrieben hat. Aber was war sein letztes Werk? Eine Komödie: Falstaff. Im Falstaff gibt es diese herrliche Schlussfuge, in der es heißt: »Tutto nel mondo è burla. Tutti gabatti!« Will sagen: Die ganze Welt ist ein Irrenhaus und wir alle sind am Ende des Tages Betrogene.

Carl Zeller war Staatsbeamter und nur nebenberuflich als Komponist tätig. Er hat wohl in seinen Operetten auch ein Ventil für seine Kreativität gefunden und sich im Vogelhändler über Verhaltensweisen, Privilegien und Standesdünkel lustig gemacht, wobei er natürlich vorsichtig sein musste, immerhin gab es damals die Zensur. Du hast coronabedingt eine gekürzte Fassung eingerichtet, die den Fokus auf das Wesentliche richtet und dennoch voller Überraschungen steckt. Was war dir dabei wichtig?
Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht. Ich hätte es gar nicht so gekürzt, wenn es Corona nicht gäbe, das muss ich zugeben. Aber in der Kürze liegt die Würze. Ich denke, eine Operette darf inklusive Pause nicht länger als 2 ¾ Stunden sein. In unserer Fassung ist sie noch um einiges kürzer. Wir haben das Stück etwas eingedampft und das tut ihm sehr gut. Beim Vogelhändler haben wir traumhafte, wunderbare Melodien. Die Musik ist phantastisch, zu vergleichen mit der Fledermaus oder mit der Lustigen Witwe. Aber es gibt zu viele Nebenhandlungen und die Handlung stockt auch auf einmal. Daher haben wir zwei Nebenhandlungen radikal gekürzt und uns auf den Haupthandlungsstrang konzentriert. Durch die Reduktion ist die Operette sehr intensiviert. Das war mir wichtig.

In deiner Inszenierung tritt, bedingt durch die Kürzungen, einiges an Personal nicht mehr auf. Du hast aber dafür andere Personen hineingenommen, wie beispielsweise den Kurfürsten, von dem zwar viel die Rede ist, der aber im Original nicht vorkommt. Und wie kommen der Zauberer von Oz und Toto, der Hund aus dem berühmten Musical, das du 2018 am Stadttheater inszeniert hast, in die Pfalz?
Operetten sind immer der Zeit angepasst und verändert worden, damit sie eben kritisch und witzig bleiben. Alle Komponisten haben das gemacht. Richard Wagner hat mit dem Ring des Nibelungen den Mythos für sich neu erarbeitet und umgeschrieben. Auch Verdi und Mozart haben das gemacht, alle haben die alten Geschichten neu erzählt. Der Vogelhändler wurde mehrmals verfilmt, es gibt verschiedene Fassungen, eine im Henschelverlag, eine bei den Felix Bloch Erben und überall ist der Vogelhändler anders. Und deshalb hab ich mir Richard Wagners Credo: »Kinder, schafft Neues!« auch hier bei der Operette zu Herzen genommen. Wir erzählen den Vogelhändler neu, bleiben aber bei der alten Geschichte. Christoph Wagner Trenkwitz, der mein Frosch in der Inszenierung der Fledermaus in Bonn war, ist wie gespuckt für Operette. Er weiß genau, wie das Genre funktioniert und hat eine große Liebe dafür. Wie er mit dem Toto durch den Vogelhändler führt, ist einfach wunderbar. Wir machen Operette für Klagenfurt und wir erzählen die Geschichten für Klagenfurt. Der Zauberer von Oz war eine Geschichte, die sehr viele Zuschauer kennen und an die ich anknüpfe. Christoph ist Österreicher, ein gebürtiger Wiener noch dazu und er moderiert seit Jahren den Opernball. Wer wäre also geeigneter, durch unseren Vogelhändler zu führen, als er? Und dies in einer sehr spitzzüngigen Art, etwa so wie die vom Frosch in der Fledermaus. Dadurch bleibt die Operette frisch und erhält neue Impulse. Das ist es doch, was wir brauchen.

Das Gespräch mit Regisseur Aron Stiehl führte Dramaturgin Sylvia Brandl.