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23. August 2023

Weltenbrand und Hoffnung auf den Sieg der Liebe

Von Okarina Peter und Timo Dentler als Baukasten-System angelegt, wächst das Bühnenbild des Klagenfurter Rings von Teil zu Teil mit. Während in der Walküre und in Siegfried Wälder und Felsen auf die Bühne »geholt« wurden, zeigen die beiden Ausstatter*innen nun eine Welt, die jeglicher Natur entbehrt: In der Göttderdämmerung wird in kalten Betongemächern an einem toxischen und kontaminierten Rheinufer verhandelt. Auch in den Kostümen kommt der Eingriff des Menschen in die Natur zum Ausdruck.

Welche Adaptierungen habt ihr im Bühnenbild für die Götterdämmerung vorgenommen?

Timo Dentler: Brünnhilde, von der Liebe enttäuscht und als menschliche Figur gescheitert, verbrennt einfach alles! Unser Bühnenbild-Baukasten, bestehend aus verschiedenen Großrequisiten  wie zum Beispiel der Seilbahngondel aus der Walküre oder Mimes Schmiede-Amboss aus Siegfried, brennt am Ende lichterloh und verschwindet im dunklen Theaterraum.

Modell aus dem Bühnenbild zur »Götterdämmerung«

Die Natur am Klagenfurter Kreuzbergl war in den beiden ersten Teilen immer wieder im Bühnenbild präsent. Siegfried wächst in ihr als »Naturmensch« auf. Seit der Walküre und Siegfried hat sich auch unsere reale Welt ein Stück weit mehr verändert. Inwiefern ist die Götterdämmerung auch ein Abbild unserer Zeit?

Timo Dentler: Während wir in den Teilen davor den Versuch unternommen haben, die Natur auf die Bühne des Stadttheaters zu holen, können wir hier eine Welt zeigen, die jeglicher Natur entbehrt. In dystopischer Weise sehen wir, wie das Verhältnis von Natur und Architektur ins Ungleichgewicht gekommen ist. Die Gier nach Macht, der Sieg über die Liebe und das Scheitern der Götter werden in kalten Betongemächern der Gibichungen an einem toxischen und kontaminierten Rheinufer verhandelt.

Ungleichgewicht im Verhältnis von Natur und Architektur im Bühnenbild der »Götterdämmerung«.
Timo Dentler mit dem Modell der Gibichungenhalle

Okarina Peter: Anhand der Rheintöchter wird deutlich, dass es »kurz vor 12« ist. Der Rhein ist ausgetrocknet und die Aussicht aufs gegenüberliegende Ufer zeigt nur eine bedrohliche Betonbrücke. Ein großes Abflussrohr spült Morast und Unrat auf die Bühne und den drei Rheintöchtern fallen beim Kämmen die Haare aus. Diese drei gestrandeten Wasserwesen lassen Assoziationen an nicht weit zurückliegende Naturkatastrophen zu. Das Bild zeigt ganz deutlich, dass der Eingriff der Menschen in die Natur nichts Gutes beschert hat, es gibt Wasserverschmutzung und Fischsterben. Wir müssen allerdings zugeben, dass das Thema der Rheintöchter einen hohen ästhetischen Reiz hat, den wir für die Oper voll ausschöpfen.

Figurinen für die Kostüme der Rheintöchter.

Der »freie Mensch« Siegfried gelangt auf seiner Abenteuerfahrt an den Hof der Gibichungen. Wie spiegeln sich die dort gelebten Werte und Haltungen in eurer Ausstattung wider?

Okarina Peter: Siegfried und Brünnhilde tragen noch Kostüme aus den vorherigen Teilen. Damit treffen sie in der Götterdämmerung auf Gunter und Gutrune, die wie Figuren aus einem anderen Stück wirken. An Siegfrieds Kostümwechseln können wir sehen, wie er langsam für die niederen Beweggründe Hagens vereinnahmt wird. Schon bald erscheint Siegfried im baugleichen Business-Anzug wie Gunter, dann im salonfähigen Smoking zur Hochzeit mit Gutrune. Die Mannen und Frauen treten als geklonte Anhänger in Uniformen nach dem Vorbild Hagens auf. Auch Gunters und Gutrunes Maßanfertigungen sind in künstlich wirkendem Grün. Unter den veralgten und vermoosten Schlickschichten sind noch die ehemals schönen Kleider der kontaminierten Rheintöchter zu erkennen. In Rheingold werden wir sie aber wieder auferstehen lassen. Vegetation gibt es in dieser Welt nicht mehr, ein »Hochhauswald«, den die Halle als Aussicht bietet, erinnert nur mehr in gewisser Weise an die Waldprospekte aus der Walküre und Siegfried.

Okarina Peter: »An Siegfrieds Kostümwechseln können wir sehen, wie er langsam für die niederen Beweggründe Hagens vereinnahmt wird.«

Die Welt der Urmutter Erda ist dem Klagenfurter Theatercafé sehr nahe, Wirtin Vroni war auch Inspiration für diese Figur. Welche Rolle spielt dieser Kosmos in der Ausstattung der Götterdämmerung

Okarina Peter: Anders als in der Wirklichkeit – Vroni hat uns im Theatercafé auch dieses Jahr wieder liebevoll und mit vollem Einsatz bewirtet – sehen wir in der Götterdämmerung, dass es den Nornen als Töchter der Erda ähnlich schlecht geht wie der Natur. Die Farbe ist raus, die Haare fallen aus, jede hat ein anderes Gebrechen und der Schicksalsfaden – ein altes Theaterhanfseil aus dem Schnürboden – reißt. Das ist der Absprung in eine Geschichte, die mit einer Apokalypse endet.

Ein analoger Theatertrick verblüffte das Publikum in Siegfried: Mit besonderer Spiegeltechnik habt ihr ein gigantisches Drachenmaul auf der Bühne zum Zuschnappen gebracht. Wird es auch in der Götterdämmerung einen ähnlichen Bühnen-Effekt geben? 

Timo Dentler: Ohne zu viel verraten zu wollen: Siegfrieds Rheinfahrt zu König Gunter und seinen Geschwistern Gutrune und Hagen zeigen wir im »Heimkino« in der Gibichungenhalle, auf einer 22 m langen Leinwand, die sich langsam von unten nach oben abrollt. Es ist ein analoger Film mit mechanisch bewegtem Bild, ganz ohne Projektion.

Das Ende der bisherigen Weltordnung ist gekommen, die Macht der Götter ist vorbei. Wotan fällt die Welt-Esche und Brünnhilde setzt mit ihrem Scheiterhaufen die Burg der Götter in Brand. Das Rheingold wird in der Götterdämmerung vom Fluch gereinigt und gelangt wieder an seinen natürlichen Ort zurück. Der Klagenfurter Ring findet in der kommenden Spielzeit seinen Abschluss mit dem Rheingold, dem eigentlich ersten Teil der Tetralogie. Gleichzeitig symbolisiert diese Reihenfolge auch einen Neuanfang. Welche Hoffnung gibt es für das Publikum?

Okarina Peter: Ja, es ist sehr gut, dass wir das Rheingold ans Ende unseres Ring-Zyklus gesetzt haben! Wir entlassen die Zuschauer auf jeden Fall mit dem Gefühl der Hoffnung, nachdem sie dem spannenden Spiel um Macht oder Liebe und dem kraftvollen apokalyptischen Schluss gefolgt sind. Auch wenn am Ende alles – auch unser Kulissen- und Requisitenfundus – in Flammen steht, landet der Ring ja wieder im Rhein und der Neuanfang kann beginnen. Mit einem stummen Auftritt zweier Figuren aus der Walküre, Siegmund und Sieglinde, geben wir neue Hoffnung auf den Sieg der Liebe .

Ensemble rund um Intendant und Regisseur Aron Stiehl, Chefdirigent Nicholas Milton und Ausstatter*innen Timo Dentler und Okarina Peter.