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Bühne
Premiere: Do, 02.03.2017
Dernière: Do, 06.04.2017

Vor dem Ruhestand

Eine Komödie von deutscher Seele von Thomas Bernhard

Thomas Bernhard legt in Vor dem Ruhestand die tiefliegenden Gründe für das Fortbestehen des Faschismus frei und analysiert die psychologischen Konstellationen innerhalb eines Familiengefüges, die derart menschenverachtende Ideologien ermöglichen. Bernhards dichterische Abrechnung ist angesichts der neonazistischen Bewegung im heutigen Europa von erschreckender Aktualität. Einer der großen Poeten des Theaters, Cesare Lievi, bringt das Stück in hochkarätiger Besetzung auf die Bühne: Rudolf Höller und seine beiden Schwestern werden von Michael Prelle, Irene Kugler und Cornelia Köndgen gespielt. Rudolf Höller, ehemaliger SS-Offizier und stellvertretender Kommandant eines Konzentrationslagers, lebt nach Kriegsende zehn Jahre lang versteckt im Untergrund. Danach steht seiner zweiten Karriere als  Gerichtspräsident nichts mehr im Weg. Seiner Gesinnung treu geblieben, feiert er alljährlich mit seinen Schwestern Vera und Clara am 7. Oktober den Geburtstag von Heinrich Himmler. An diesem Feiertag wird die SS-Uniform aus dem Schrank geholt und der Sekt geöffnet. Beim Betrachten der alten Fotoalben aus dem Lager erinnert man sich vergangenheitsselig an das private Glück von damals. Vera und Rudolf verbindet  eine inzestuöse Notgemeinschaft, sie begreifen sich verschwörerisch als unzerstörbares Bollwerk des Nationalsozialismus. Clara, seit einem amerikanischen Bombenangriff an den Rollstuhl gefesselt, hinterfragt  zwar das faschistoide Gedankengut der ewig Gestrigen, ist aber den Ritualen und Phantasien ihrer Geschwister wehrlos ausgeliefert ... Dauer ca. 2 Stunden, 45 Minuten (inkl. einer Pause)
Bühne
Premiere: Do, 02.03.2017
Dernière: Do, 06.04.2017

Podcast Einführung

Pressestimmen

Kleine Zeitung

Trio infernal mit monströsem Gedankengut und beißendem Humor: Thomas Bernhards „Vor dem Ruhestand“ im Stadttheater Klagenfurt.

Als Cornelia Köndgen am Ende den Applaus entgegennimmt, ist man fast verwundert, dass sie nicht mehr im Rollstuhl sitzt – derart glaubhaft hat sie die gelähmte Clara nahezu drei Stunden lang mit verhärmten Leben ausgefüllt. (…) Souverän bewältigt Irene Kugler als Vera eine gewaltige Textmasse, moduliert das Unsägliche mit gönnerhafter Überheblichkeit, dreht sich Tatsachen zurecht: (…) Nach der Pause erweitert sich das Duett der – von Tonart und Inhalt – so verschiedenen Frauenstimmen zum aufgeräumten Terzett im ordentlichen Wohnzimmer. Rudolf ist nach Hause gekommen, Vera umflattert den Bruder, mit dem sie auch inzestuös verbunden ist. Michael Prelle bringt als Richter neben monströser Vergangenheit auch jenen beißenden Humor mit, den Thomas Bernhard mit dem Untertitel „Eine Komödie von deutscher Seele“ verspricht. Gruseliger Höhepunkt ist das gemeinsame Schwelgen im Fotoalbum, Schreckensbilder in die harmlose Normalität einer Familienidylle gezogen. Dass alles bloß ein Spiel ist, „eine Komödie“ (Vera), wird dermaßen betont, dass es eh keiner glaubt. Ganz anders wird einem in postfaktischen Zeiten mit Pegida, Xenophobie und diffuser Europa-Skepsis trotzdem, wenn es heißt: „Irgendetwas zieht sich zusammen, ganz in unserem Sinne. Es wird nicht lange dauern, bis wir offen bekennen können, wer wir sind.“ (…) ein starker Abend mit einem Trio infernal, geformt von drei exzellenten Darstellern und einer exakten Regie.

APA

Messerscharfe Mostrosität: „Vor dem Ruhestand“ in Klagenfurt

(…) Verstörend vertraut wirkt das Psychogramm der drei Geschwister in Thomas Bernhards „Vor dem Ruhestand“, das Regisseur Cesare Lievi am Donnerstag im Stadttheater Klagenfurt im Plauderton auf die Bühne stemmte. Das Schwelgen in Nazi-Nostalgie hat in Zeiten von Pegida & Co. wenig mit historischer Aufarbeitung aber viel mit Warnung vor aktuellen Tendenzen zu tun.
Der Nebel verzieht sich, die Trümmer werden sichtbar, wenn sich der Vorhang zum stimmigen Bühnenbild von Maurizio Balò hebt: Schutthaufen im Wohnzimmer, zerbrochene Fensterscheiben, schief hängt ein Luster von der Decke. (…) Cornelia Köndgen als Clara stehen Ekel und Widerwillen ins Gesicht geschrieben, wenn sie mit herabgezogenen Mundwinkeln und leerem Blick zwischen Hass auf die Geschwister und Hoffnung, nicht ins Heim abgeschoben zu werden, schwankt. Irene Kuglers Vera mit BDM-Frisur und hektischer Betulichkeit verkörpert den Humus, auf dem totalitär-faschistische Systeme wachsen können mit grausamer Konsequenz. Hörigkeit, Selbstverleugnung und Realitätsverweigerung binden sie an ihren Bruder Rudolf, den Michael Prelle stimmgewaltig und wehleidig darstellt. Wie Regisseur Cesare Lievi die erotische Spannung zwischen den beiden wachsen lässt, ist ein fein kalkulierter Kontrast zur Gefühls- und Geisteskälte, die sie gegenüber ihrer behinderten Schwester ausstrahlen. Kalt wird es auch dem Zuseher, wenn es schließlich heißt: „Irgendwas zieht sich zusammen, ganz in unserem Sinne (…) Es wird nicht lange dauern, bis wir offen bekennen können, wer wir sind.“ (…)

Der Standard

Furios: Cesare Lievi lässt am Stadttheater Klagenfurt Himmlers Geburtstag feiern (…)

(…) Selbst Regierungsmitglieder schreckten zu Lebzeiten Thomas Bernhards (1931-1989) nicht davor zurück, ihn zu einem Fall für die Psychiatrie zu erklären. Waren das noch Aufregungen! Es war unausweichlich, dass die Nachwelt eine solche Generalanklage Stück für Stück entschärft. Aber manchmal, wie jetzt in Cesare Lievis Inszenierung von Vor dem Ruhestand am Stadttheater, hat man das Gefühl, das Weltgericht habe noch einmal einen Verhandlungstag angesetzt. (…) Mehrfach von Theater heute zum Schauspieler des Jahres gekürt, ist der Hamburger Michael Prelle ein Protagonist, der Massenmord und Poesie mit erschreckender Selbstverständlichkeit unter eine Offizierskappe bringt. Keine seiner Handlungen kann grausam genug sein, dass seine Schwester Vera (grandios: Irene Kugler) ihm nicht auch noch die kleinsten Gewissensbisse von der Stirne küsst, bezopft bis ins Alter, eine „deutsche Frau“. Clara (Cornelia Kündgen), die jüngste der drei Geschwister, wäre die Einzige, von der man sich Widerstand erhoffen könnte. Dass sie gelähmt ist, steht symbolisch für den tiefen Pessimismus von Bernhards Analyse. Auch sonst verglimmt alle Hoffnung in symbolischen Funken. (…)

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