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15. September 2025

Aron Stiehl: Ein Kärntner mit Leib und Seele

Portrait. Aron Stiehl (56) eröffnet seine sechste Saison als Intendant des Stadttheaters mit Wagners »Tristan und Isolde«. Das Haus in Klagenfurt hat er sich bewusst ausgesucht. 

(Marianne Fischer / Kleine Zeitung; Foto: Helge Bauer)

Er wird nicht müde zu betonen, was für ein großes Glück es ist, in Kärnten zu leben: Aron Stiehl, seit 2020 Intendant am Stadttheater Klagenfurt, »mag die Leute hier einfach« und nutzt seine Freizeit gerne für Entdeckungsreisen. In diesem Sommer etwa hat der 56-Jährige einen Wanderurlaub auf der Turrach genossen und ist täglich mit dem Nocky-Flitzer talabwärts gesaust: »Das ist für mich das Schönste überhaupt. Außer, wenn jemand vor mir bremst«, erzählt er lachend. Gemütlicher geht er es im Straßenverkehr an: Da ist er entweder mit dem Fahrrad oder neuerdings auch mit einer knallroten Ape zwischen Klagenfurt und Pritschitz unterwegs, wo er mit seinem Hund Moses in einer Wohnung mit Seeblick lebt. Der umweltfreundliche Kleintransporter, den er sich privat gekauft hat und mit dem Stadttheater-Schriftzug branden ließ, fährt maximal 45 km/h.

Immens anstrengend

Doch so entspannt er privat unterwegs ist, auf der Bühne verlangt ihm seine Arbeit derzeit alles ab. Die Proben für Richard Wagners Tristan und Isolde sind – auch aufgrund der reinen Spielzeit der Oper von knapp vier Stunden – nicht nur für die Sängerinnen und Sänger sowie das Orchester immens anstrengend, sondern auch für den Regisseur. Dazu kommt die emotionale Wucht der Oper: »Meinen ersten »Tristan« habe ich als Student in Hamburg gesehen. Ich war so überwältigt, dass ich zwei Wochen lang praktisch sprachlos war«, erzählt er. Auch jetzt seien bei einer Probe Tränen geflossen: »Auf einmal waren wir so ergriffen von Isoldes Liebestod, dass wir alle geweint haben.«

Von solchen Tränen abgesehen, hat Stiehl aber vor allem Grund zur Freude: Mit einer Auslastung von 88 Prozent, steigenden Abo-Zahlen und diversen Auszeichnungen wie zuletzt dem Musiktheaterpreis für die Uraufführung der Oper „Hiob“ kann das Stadttheater mit den großen österreichischen Häusern problemlos mithalten. Und dass Wagners gesamter »Ring« gezeigt wurde und am Haus spannende Uraufführungen stattfanden, fand auch internationale Beachtung.

Dass das Theater in seinen Genen liegt, hat Stiehl früh gewusst: »Ich habe schon als Kind freitagabends mit Marionetten die »Csárdásfürstin« auf dem Ponyhof für die anderen Kinder nachgespielt.« Seine Eltern, die in Wiesbaden ein Lebensmittelgeschäft führten, begegneten den Interessen des Sohnes eher skeptisch: »Sie haben sich Sorgen gemacht, dass mit mir etwas nicht stimmt«, erzählt er lachend. Nach dem Abitur gaben sie ihm ein Jahr, um eine Aufnahmeprüfung im Regiebereich zu bestehen, »sonst hätte ich eine Bankenlehre machen müssen. Glücklicherweise wurde ich in Hamburg angenommen.«

Erste eigene Inszenierungen

Er schloss sein Studium der Musikregie mit Auszeichnung ab, wurde später Assistent von Regisseur Peter Konwitschny an der Bayerischen Staatsoper und kündigte nach vier Jahren: »Das Kündigungsschreiben habe ich zerrissen an der Pforte wiederbekommen. Konwitschny hat mich gefragt: »Was würde Sie halten?« Ich habe gesagt: »Eine eigene Inszenierung.«« 2001 kam Purcells Dido and Aeneas in seiner Regie heraus – ein großer Erfolg, der sogar Niederschlag auf dem traditionsreichen »Handbuch der Oper« des Bärenreiter-Verlags fand: Zehn Jahre lang zierte ein Foto der Produktion das Cover.

Das Stadttheater hat sich Aron Stiehl für seine erste Intendanz ganz bewusst ausgesucht. Sein Debüt am Haus gab er 2008 mit der Uraufführung der Oper Schlafes Bruder, in seinen 19 Jahren als freischaffender Regisseur hat er sieben Mal in Klagenfurt gearbeitet und sich »hier immer sehr wohl gefühlt«. Nach einem ersten Anlauf im Jahr 2011, wo er im Hearing hinter Florian Scholz auf Platz zwei landete, klappte es 2019 – zum richtigen Zeitpunkt, meinte er damals im Interview: »Ich habe mittlerweile an 25 Häusern, darunter in Leipzig und an der Volksoper Wien, gearbeitet und bin natürlich in der Zeit auch gereift. Ich denke, ich bin jetzt bereit für Klagenfurt.«

Mittlerweile hat Stiehl auch die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen: »Jetzt ist das mein Land, ich kann hier wählen, mich einmischen und für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintreten.« Sein Hund Moses war übrigens schon immer Österreicher: »Ein Chormitglied der Wiener Volksoper züchtet Cocker Spaniels. Als ich am Haus inszenierte, meinte sie: Im nächsten Wurf ist ein Hund für dich dabei.«

Und wo sieht sich der glückliche Single (»Moses ist furchtbar eifersüchtig!«) in zehn Jahren? »Hoffentlich noch immer in Kärnten. Eine dritte Amtszeit wäre schön.« Angesichts des Erfolgs des Hauses scheint diese Hoffnung durchaus berechtigt.