Die Frau vom Meere
Text: Hans Mrak
Sprecherin: Doris Hindinger
Musik: Fabian Kuss
Gesang: Nico-Alexander Wilhelm
<Musik: Fabian Kuss Fjord>
Lieber Brandes!
Können Sie erraten, was ich erträume und plane und mir als etwas Wunderschönes ausmale? Das ist: mich am Öresund niederzulassen, zwischen Kopenhagen und Helsingör auf einer freien offenen Stätte, wo ich alle Meeressegler sehen kann, wie sie aus weiter Ferne kommen und in weite Fernen ziehen.
Das kann ich hier nicht. Hier sind alle Sunde zu – in jedem Sinn des Wortes – und alle Kanäle des Verständnisses verstopft. O, lieber Brandes, was mich am meisten anzieht, das ist das Meer – -.
Na, werden Sie nur vor allen Dingen wieder munter, und zwar ohne allzuviel Schmerzen, und dann auf Wiedersehen in dem neuen Heim, wo der Sund offen vor mir liegt.
Christiania, den 3. Juni 1897 – Ihr treu ergebener – Henrik Ibsen
Knapp 10 Jahre zuvor, 1888, finden sich derselbe Gedanke, ähnlich formuliert, in seinem Schauspiel Die Frau vom Meere, wenn in einer zentralen Szene Ellida, die Titelgestalt, ihren früheren Verehrer Arnholm wiedertrifft. Ellida ist eine von mehreren Frauenfiguren des Dichters, die in unglücklichen Verhältnissen lebt und von einer Sehnsucht getrieben wird – Nora Helmer oder Hedda Gabler sind wohl die Bekanntesten. Damit wurde und wird Ibsen immer wieder gerne als »Protofeminist« gelesen, was er jedoch so nicht war: Als Sozialist befasste er sich – unvermeidlich – mit der sogenannten Frauenfrage im Norwegen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Und er hat die Frauenbewegung beeinflusst. Aber in mindestens dem gleichen Maße wurde auch Ibsen von der Frauenbewegung beeinflusst. Der Dramatiker hat Zeit seines Lebens eine Ehrenmitgliedschaft im Verein für die Sache der Frau abgelehnt, und stets betont, nicht für die Sache der Frau, sondern für Gleichberechtigung und Menschenrechte zu kämpfen.
»Der Geist der Wahrheit und der Freiheit – das sind die Stützen der Gesellschaft!«, mag so als Motto über allen Arbeiten Ibsens stehen. So beschreibt Ibsen in seinen Stücken nicht nur »die Frau, welche sich versucht zu entwickeln«, sondern er beschreibt Frauen in einer bestimmten Umgebung, welche sie einengt und aus welcher sie ausbrechen wollen oder müssen – diese Sehnsucht: nach Freiheit, auch: nach der Möglichkeit, frei zu entscheiden bestimmen diese Frauengestalten wie Rita Allmers (Klein Eyolf), Berthe Rosmer (Rosmersholm), Nora, Hedda Gabler und nicht zuletzt Ellida, die Frau vom Meere: »Ibsens Wissen vom Menschen wird nirgends deutlicher als in seinen Frauenporträts«, befindet James Joyce in seinem viel gelesenen Essay über Ibsen.
Bereits Hugo von Hofmannsthal hat Ibsens Beschäftigung mit der Psychoanalyse bemerkt und im Zuge seiner Auseinandersetzung damit, einen Menschentypus der Ibsen’schen Figuren definiert: »Alle diese Menschen leben ein schattenhaftes Leben; sie erleben fast keine Taten und Dinge, fast ausschließlich Gedanken, Stimmungen und Verstimmungen. Sie denken übers Denken, fühlen über sich Fühlen und treiben Autopsychologie.« Diese Charakterisierung trifft genau auf Die Frau vom Meere zu. Lange Zeit geschieht überhaupt nichts im Stück. Die Figuren sitzen im Garten oder spazieren durch die Gegend; dabei sprechen sie miteinander, erzählen von ihrer Vergangenheit oder davon, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen. Keine der Figuren sieht jedoch akuten Handlungsbedarf. Dies ändert sich erst in jenem Moment, in welchem ein fremder Seemann in den kleinen Badeort kommt und Ellida zurückfordert. Was nun? Was tun?
<Musik: Fabian Kuss I can´t stop, Gesang: Nico-Alexander Wilhelm>
In unsrer modernen säkularisierten Welt, in der höhere Mächte ausgefallen, Götter verblasst sind, muss jeder einzelne Mensch aktiv werden: sich für eine Sache einsetzen, seinen Sinnen und seinem Gemüt vertrauen. Doch genau dies ist dem auf sich selbst zurückgeworfenen modernen Menschen nicht so leicht möglich. Es fällt ihm schwer, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Leben und Tod, Gutem und Bösem, wahr und falsch, real und imaginiert, normal und verrückt zu unterscheiden. Doch es bedarf am Ende einer beherzten Entscheidung, um sich auf den eigenen zukünftigen Weg konzentrieren zu können. Die Frage, die Ibsen vor mehr als 100 Jahren in Die Frau vom Meere aufwarf, was überhaupt die Kriterien sind, um entscheiden zu können, ist zeitlos: Verpflichtungen, Gebundenheiten, Abhängigkeiten, Veranlagungen – oder eher Visionen, Träume und Wünsche? Was hängt daran, wegzugehen, aus seinem bisherigen Leben auszusteigen und was wird dabei gewonnen?
Ibsens Stück, zugespitzt in der Bearbeitung von Moritz Franz Beichl, fragt: Ist eine Akklimatisierung an ein falsches Beziehungs- oder Familienklima möglich? Inwiefern und zu welchem Preis kann sich der Mensch verbiegen und in einen (Familien-)Raum einpassen, der traditionell für Liebe und Unterstützung, Rückzug und Geborgenheit steht, gegenwärtig jedoch als verstockt, vergiftet und tot empfunden wird? Die Protagonistin und der Protagonist des Stücks konstatieren: Nur unter der Voraussetzung freier Wahlmöglichkeit und indem sie Verantwortung für sich und andere übernehmen, können sich Menschen in neuen familiären und Liebes-Räumen akklimatisieren.
Ibsens Ellida ist wie ein Brennglas, in dem sich emotionale Bedürfnis- und Gefühlslagen einer ganzen Generation von Frauen vor und um die Jahrhundertwende 1900 verdichten. Der junge Autor und Regisseur Moritz Franz Beichl schärft Ellidas Profil und findet Anteile Ellidas in Menschen seiner Generation.
Ihr persönliches Unglück scheint bei Ibsen als soziale Pathologie auf. Mit dem Stück traf er ins Innere des ungleichen Geschlechterverhältnisses. Ellida ist jedoch keine Vorkämpferin für Frauenrechte,soziale und politische Gleichberechtigung oder gleiche Bildungschancen. Ihre Form von Befreiungswunsch ginge nie in äußerichen politischen Programmen auf. Vielmehr macht sie – tiefergreifender – gravierende Probleme auf der Mikroebene der Beziehung zweier sich liebender moderner Menschen sichtbar. In dem Ehepaar, Ellida und Wangel, bündelt sich ein irritiertes, vielfach gebrochenes Bild, in dem Teile des traditionellen Geschlechterverhältnisses instabil geworden sind und der weibliche Part für sich Emanzipation und Freiheit reklamiert.
Das Meer birgt verschiedene Figuren und Funktionen. Im Verlauf des Stücks füllt es sich mit unheimlichen Elementen: Vermählungsringen, entfremdeten Seejungfrauen, versunkenen Schiffen und toten Seemännern. Genau wie Ellida selbst verkörpert es Unberechenbarkeit und Wildheit, es bedarf der Steuerung, will man nicht auf ihm verloren gehen oder in ihm versinken. Für die schwärmerische Ellida ist es ein Sehnsuchtsraum, der Vollkommenheit und Glück, Freiheit und Unendlichkeit verheißt – maritime Verliebtheit. Statt sich nach der Menschenwelt und dem ruhigen idyllischen Fjordleben zu sehnen, verzehrt sich Ellida nach dem Sturm und der Stille des Meeres. Wie vom Meer fühlt sich Ellida von einem potentiellen eigenen wahren Leben angezogen, das abschreckt und anzieht – auf diese Spannung kann sie nicht verzichten.
Das Meer ist zugleich jedoch ein abschreckender Risiko- und Gefahrenraum, der immer wieder seinen Tribut fordert. Genau deswegen ist er so reizvoll für Ellida. Wie Nymphen, Wassergeister, verkörpert die Hauptfigur das Element Wasser und strebt danach, sich selbstständig ins Wasser zurück zu ziehen. Dadurch, dass Ellida sich am Ende von Totem trennt, kann sie sich auf das Gegenwärtige konzentrieren. Auf ihrer mutigen Fahrt in ein unbekanntes neues Leben wird sie das Steuer selbst in die Hand nehmen.
<Musik: Fabian Kuss Like the Tide, Gesang: Nico-Alexander Wilhelm>
Boléro
Text: Markus Hänsel
Sprecherin: Katharina Schmölzer
<Musik: Maurice Ravel Boléro>
Mit einem ebenso fulminanten wie nachdenklichen Ballettabend setzen das slowenische Staatsballett Ljubljana und das Stadttheater Klagenfurt ihre erfolgreiche Kooperation der letzten Jahre fort. Nach den Handlungsballetten Schwanensee und Romeo und Julia präsentiert die Compagnie nun einen dreiteiligen Ballettabend, der Werke von Maurice Ravel, Frédéric Chopin und Igor Strawinsky in Choreographien von Renato Zanella und Edward Clug vereint. Auf den ersten Blick gibt es nicht viel, das Ravels Boléro, Chopins Nocturnes für Klavier und Strawinskys Le sacre du printemps miteinander verbindet, doch all diese Werke setzen sich auf ihre Weise mit Beziehungen und Gewalt, mit Bewegung und Präsenz auseinander. Bei der Konzeption des Abends, der in Ljubljana bereits 2023 Premiere feierte, ließ sich der damalige Ballettdirektor Renato Zanella von der Frage leiten, wie sich menschliche Beziehungen durch die globalen Veränderungen der letzten Jahre gewandelt haben – in einer Zeit, die geprägt ist von den Nachwirkungen der Pandemie und vom fortdauernden Krieg in der Ukraine. Unsere Gegenwart betrachtet Zanella auch als Schauplatz des Konflikts zwischen Generationen, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, der auch unsere Zukunft entscheidend prägen wird.
Der Abend wird eröffnet mit Maurice Ravels Boléro, einem der bekanntesten Werke der Musikgeschichte. Ravel komponierte es 1928 für die Tänzerin Ida Rubinstein, die bei ihm ein Stück von spanischer Couleur in Auftrag gab. Der Komponist entschied sich, einen Bolero zu komponieren, einen Volkstanz, der auf der iberischen Halbinsel bereits im 18. Jahrhundert in Mode gekommen war. Das spanische Idiom, das in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts noch als »exotisch« empfunden wurde, ist in Ravels Version durchaus hörbar. Doch was den Boléro so einzigartig macht, ist nicht die Verwendung eines spanischen Tanzmodells, sondern dessen radikale Stilisierung. Ravel arbeitet gleich mit mehreren Konstanten, die das ganze, etwa 15 Minuten dauernde, Stück über unverändert beibehalten werden: Da ist zunächst der Rhythmus mit seinen Sechzehnteltriolen, den die kleine Trommel zu Beginn solistisch vorstellt und bis auf die letzten beiden Takte konsequent durchhält. Dieser Rhythmus bildet den Motor des Stücks, treibt es unerbittlich, mechanisch, man könnte fast sagen: manisch voran. Hinzu kommt das gleichbleibend zwischen zwei Tönen pendelnde Ostinato der Bässe. Rhythmus und Ostinato bilden den Grund, über dem sich die Melodie zunächst in den Flöten erhebt, dann durch die verschiedenen Soloinstrumente und Instrumentengruppen wandert und schließlich vom ganzen Orchester übernommen wird. Der Boléro hat keine spezielle Form, vollzieht keine musikalische Entwicklung und enthält keine harmonische Modulation. Die Wirkung des Stücks beruht einzig und allein auf der Orchestrierung. Durch sie wird ein Prozess der Steigerung vollzogen, an deren Höhepunkt das Chaos ausbricht, worauf ein abrupter Zusammenbruch folgt. Ravel selbst sagte über sein berühmtestes Werk: »Ich habe nur ein einziges Meisterwerk geschaffen – den Boléro. Leider hat es aber nichts mit Musik zu tun.«
<Musik: Maurice Ravel Boléro>
Choreograph Renato Zanella erkennt in der musikalischen Struktur des Boléro einen Kampf zwischen Melodie und Rhythmus – zwischen der Melodie, die für Vernunft und Schönheit steht, und dem Rhythmus, der die Macht verkörpert. Obwohl Ravel der Überlieferung nach beim Komponieren eher an die Industrialisierung, an die repetitive, irre machende Arbeit am Fließband dachte, wurde die in der Musik festgehaltene Spannung choreographisch von Beginn an in erotischem Sinne gedeutet. Bei der Uraufführung als Ballett tanzte die zu diesem Zeitpunkt bereits 44 Jahre alte Ida Rubinstein im Szenenbild einer spanischen Taverne auf einem Tisch und zog nach und nach die zunächst unbeteiligten männlichen Gäste in ihren Bann. Zwanzig Männer kamen immer näher an den Tisch heran und erstürmten ihn schließlich, packten die Tänzerin und hielten sie zum Schluss über ihren Köpfen. 1961 griff Maurice Béjart dieses Konzept in seiner bahnbrechenden Choreographie auf, stilisierte die Taverne jedoch zu einem leeren Raum mit einem einzigen großen Tisch. Der Tänzerin stand nun die doppelte Anzahl von 40 Männern gegenüber, die sie am Ende des Stückes in einem Akt der Gewalt unter sich begruben. Auch Renato Zanella orientiert sich in seiner Choreographie an der Konzeption Béjarts und betrachtet den Boléro als ein Crescendo der Gewalt, eine Verneinung der Freiheit. In seiner Version für eine kleine Besetzung von einer Tänzerin und sechs Männern wird der Boléro jedoch zum Kammerspiel, in dem der Rhythmus die Melodie verfolgt wie ein Tier seine Beute. In der repetitiven Struktur der Musik sind Melodie und Rhythmus sind jedoch gleichermaßen gefangen, was unweigerlich zum Zusammenbruch führt.
<Musik: Frédéric Chopin Nocturne>
Der mittlere Teil des Abends, Ssss… von Edward Clug, setzt einen anderen Schwerpunkt. Zeichnet sich Boléro durch eine kontinuierlich aufgebaute Spannung aus, arbeitet Ssss… mit Unterbrechungen, Verlangsamung, Andeutung und Zurücknahme. Das musikalische Material besteht aus sechs Nocturnes von Frédéric Chopin. Der Begriff »Nocturne« lässt sich am Ehesten mit »Nachtstück« übersetzen und bezog sich ursprünglich auf Kompositionen unterhaltsamer Art, die zumeist in den Aben dstunden zur Huldigung bestimmter Personen oder als Ständchen in Parks oder Schlosshöfen gespielt wurden. Das bekannteste derartige Werk dürfte Mozarts Serenade Nr. 13 für Streicher in G-Dur, die »Kleine Nachtmusik« sein. Im 19. Jahrhundert wandelte sich der Begriff jedoch. Das Musizieren verlagerte sich vom öffentlichen Leben am Hofe in den bürgerlich-privaten Bereich, und die Künstler*innen der Romantik entwickelten eine besondere Vorliebe für die Nacht, die der deutsche Philologe Ferdinand Hand 1841 wie folgt zusammenfasste: »Die Nacht weckt eigenthümliche Gefühle und gibt Allem einen sentimentalen Ton, indem die Außenwelt, im Dunkel geborgen oder vom Dämmerlicht erhellt, die Phantasie nicht unmittelbar in Anspruch nimmt, sondern das Gemüth vorwalten lässt, und so sich alle Bethätigung der Seele nach Innen wendet. Die Stürme des Lebens schweigen und liebe, zarte Innigkeit erfüllen die Brust.« Diese Empfindsamkeit, gepaart mit träumerischer Melancholie und einem Anflug dunkler Leidenschaften, zeichnet auch die Nocturnes von Chopin aus. Sie sind weniger auf den äußeren Effekt als auf die innere Bewegung ausgerichtet. Ihr Thema ist das hörbare Nachdenken, das Verflüchtigen und Wiederaufnehmen musikalischer Gedanken.
Edward Clug folgt diesem Charakter in seiner intimen Choreographie Ssss…, die mit nur sechs Tänzer*innen besetzt ist. Die drei Frauen und drei Männer bilden keine festen Paare, sondern gestalten in wechselnden Konstellationen vielfältige Beziehungen. Hinzu kommt noch der Pianist, der an einem schwarzen Konzertflügel sitzt und von dutzenden Klavierstühlen umgeben ist. Die Leere der Bühne schafft eine Atmosphäre der Isolation, eine stille Distanz zwischen den Figuren. Die Tänzer*innen, die gerade nicht tanzen, sitzen mit dem Blick zum Publikum und beobachten ihre Kolleg*innen. Es entsteht eine Art Arena zwischen den Tanzenden und den Zuschauenden. Diese Konstellation erzeugt ein Spannungsfeld zwischen Beobachter*innen und Beobachteten, zwischen Blicken und Emotionen. Die Tänzer*innen zeigen weniger Handlungen als Zustände, dem Publikum werden weniger Ereignisse vorgeführt als die Möglichkeit von Verbindungen und Beziehungen. Untermalt wird die Stimmung durch ein sanftes Mondlicht, das den Bühnenraum weniger erhellt als vielmehr ins Zwielicht taucht.
<Musik: Frédéric Chopin Nocturne>
Der dritte Teil des Abends trägt den Titel Das Ritual und zeigt eine Choreographie Renato Zanellas zur Musik von Igor Strawinskys Le Sacre du printemps. Die Frühlingsweihe, so die deutsche Übersetzung des Titels, markierte einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Musik und des Tanzes. Die Uraufführung am 29. Mai 1913 in Paris ging als einer der großen künstlerischen Skandale des 20. Jahrhunderts in die Geschichte ein. Der Schriftsteller Jean Cocteau erinnert sich: »Bei der Uraufführung des Sacre spielte der Saal die Rolle, die er spielen musste: Er revoltierte von Anfang an. Man lachte, höhnte, pfiff, ahmte Tierstimmen nach, und vielleicht wäre man dessen auf die Dauer müde geworden, wenn nicht die Menge der Ästheten und einige Musiker in ihrem übertriebenen Eifer das Logenpublikum beleidigt, ja tätlich angegriffen hätten. Der Tumult artete in ein Handgemenge aus. Mit schiefgerutschtem Diadem in ihrer Loge stehend, schwang die alte Comtesse de Pourtalès ihren Fächer und schrie mit hochrotem Gesicht: ›Zum ersten Mal seit sechzig Jahren wagt man es, sich über mich lustig zu machen!‹ Die gute Dame meinte es aufrichtig; sie glaubte an eine Fopperei.«
Doch was hatte das Publikum des Jahres 1913 so aufgebracht? Worum geht es in dem Stück? Zur Inspiration der Bilder aus dem heidnischen Russland in zwei Teilen, so der Untertitel des Balletts, äußerte sich Strawinsky selbst wie folgt: »Als ich in St. Petersburg die letzten Seiten des Feuervogels niederschrieb, überkam mich eines Tages – völlig unerwartet, denn ich war mit ganz anderen Dingen beschäftigt – die Vision einer großen heidnischen Feier: Alte weise Männer sitzen im Kreis und schauen dem Todestanz eines jungen Mädchens zu, das geopfert werden soll, um den Gott des Frühlings günstig zu stimmen. Das war das Thema von Le sacre du printemps.« Und tatsächlich hat das Ballett keine weitere Handlung als dieses Frühlingsopfer: Die Musik erzählt von den Vorbereitungen und der Durchführung eines archaischen Rituals und gipfelt im Opfertanz des jungen Mädchens, das sich vor den Weisen ihres Volkes zu Tode tanzt.
<Musik: Igor Stravinsky Le Sacre du Printemps (Die Frühlingsweihe)>
Die Darstellung eines derartigen Gewaltaktes auf der Bühne mag für die Gesellschaft der Belle Époque schockierend gewesen sein. Zu dieser Zeit hatte man sich schließlich der Verfeinerung des Geistes und dem Genuss der Schönheiten des Lebens verschrieben und übersah dabei geflissentlich die unter der eleganten Oberfläche brodelnde Gewalt, deren Ausbruch im Jahr nach der Uraufführung Europa und die Welt in das erste globale Völkerschlachten führte. Doch auch musikalisch wartete Strawinsky mit Neuigkeiten auf, die die Ohren des Publikums überstrapazierten. So ist über weite Strecken von Le Sacre du printemps der Rhythmus alleinbeherrschendes Element. Oft wird aus dem Orchester ein einziges großes Schlaginstrument, und das, obwohl die eigentliche Schlagzeuggruppe relativ klein ist, zumindest im Vergleich etwa mit den Sinfonien Gustav Mahlers oder der Salome von Richard Strauss. Zudem mussten die Rhythmen für Ohren, die an die Musik der Romantik gewöhnt waren, aufgrund der unregelmäßigen Akzente sowie der häufigen Taktwechsel barbarisch und chaotisch wirken. Am radikalsten manifestiert sich die neuartige Behandlung von Rhythmus und Dynamik in der abschließenden Danse sacrale, dem Opfertanz. Die Melodik im herkömmlichen Sinn spielt außerhalb der Einleitungen zu den beiden Teilen eine relativ untergeordnete Rolle. Viele der benutzten Motive entnahm Strawinsky übrigens einer Sammlung litauischer und russischer Volkslieder.
Für den Choreographen stellte sich bei der Arbeit an Le sacre du printemps die Frage, wie das der Fantasie einer rauen Vorzeit entspringende Ritual in der heutigen Zeit darzustellen sei. So widmete sich Zanella in seiner Choreographie jenem Ritual, das die Menschheit seit Anbeginn der Zeit am beharrlichsten praktiziert – den Krieg. In der paradoxen Annahme, den Frieden erlangen zu können, indem man ihn opfert, stürzen die Menschen sich gegenseitig immer wieder in unerträgliche Leidenszustände. Oftmals dient auch die Religion der Verbrämung gewalttätiger Handlungen und Verbrechen. Und so zeigt die Choreographie in diesem letzten Teil des Abends eine von Fanatismus gezeichnete Gesellschaft. In dieser Fassung von Le sacre du printemps ist das Opfer nicht eine junge Frau wie in der ursprünglichen Konzeption von Strawinsky, sondern ein junges Paar. Der Mann folgt seinen Lehrern – den sogenannten Weisen – und entscheidet sich, selbst die Liebe zu opfern. Somit erzählt dieses Ritual auch eine Geschichte zerstörter menschlicher Beziehungen. Es verwandelt glückliche junge Menschen in Mörder*innen, die ihre Rolle im Namen dessen annehmen, was sie für den notwendigen Fortschritt halten. In der Bühnendarstellung dieser martialischen Vorgänge soll aber kein Pessimismus liegen, sondern die Möglichkeit aufgezeigt werden, in der Kunst die Gefahren einer missverstandenen Religion oder Ideologie zu verdeutlichen. So zeigt uns die künstlerische Schöpfung auch, dass wir die Macht haben, uns für das Leben in Frieden zu entscheiden und nicht für das im Krieg.
Boléro (Slowenisch)
Text: Markus Hänsel
Übersetzung/Sprecher: Mihael Strniša
<Musik: Maurice Ravel Boléro>
Z veličastnim in hkratki k premisleku usmerjenim baletnim večerom SNG opera in balet Ljubljana in Mestno gledališče Celovec nadaljujeta uspešno sodelovanje preteklih let. Po baletih Labodje jezero in Romeo in Julija zdaj ansambel s koreografijami Renata Zanelle in Edwarda Cluga predstavlja tridelni baletni večer, ki združuje dela Mauricea Ravela, Frédérica Chopina in Igorja Stravinskega. Na prvi pogled Ravelov Boléro, Chopinovi klavirski Nokturni in Stravinskijevo Posvečenje pomladi nimajo veliko skupnega, vendar se vsa ta dela na svoj način ukvarjajo z odnosi in nasiljem ter gibanjem in prezenco. Pri zasnovi večera, ki je v Ljubljani premiero doživel že leta 2023, se je takratni direktor baleta Renato Zanella zgledoval po vprašanju, kako so se človeški odnosi spremenili zaradi globalnih sprememb v zadnjih letih – v času, ki ga zaznamujejo posledice pandemije in še vedno trajajoča vojna v Ukrajini. Zanella našo sedanjost obravnava tudi kot prizorišče konflikta med generacijami, med preteklostjo in sedanjostjo, ki bo odločilno zaznamoval tudi našo prihodnost.
Večer se bo začel z Bolérom Mauricea Ravela, enim najbolj znanih del v zgodovini glasbe. Ravel ga je napisal leta 1928 za plesalko Ido Rubinstein, ki ga je prosila, naj napiše skladbo v španskem slogu. Skladatelj se je odločil, da bo napisal bolero, ljudski ples, ki je na Iberskem polotoku postal priljubljen že v 18. stoletju. Španski idiom, ki so ga v 20. letih 20. stoletja še vedno dojemali kot »eksotičnega«, je v Ravelovi različici dobro slišen. Toda tisto, kar Boléro dela tako edinstvenega, ni uporaba španskega plesnega modela, ampak njegova radikalna stilizacija. Ravel dela z več konstantami, ki ostanejo nespremenjene skozi celotno, približno 15-minutno delo: najprej je tu ritem s šestnajstinskimi triolami, ki je na začetku solistično predstavljen na malem bobnu in se dosledno ohranja do zadnjih dveh taktov. Ta ritem je motor skladbe, ki jo neizprosno, mehansko, lahko bi rekli celo manično, žene naprej. K temu doda še med dvema tonoma nihajoč ostinato basov. Ritem in ostinato tvorita osnovo, nad katero se najprej dvigne melodija v flavtah, nato pa se seli skozi različne solo inštrumente in inštrumentalne skupine, nazadnje pa jo prevzame celoten orkester. Bolero nima posebne oblike, nima glasbenega razvoja in ne vsebuje harmonične modulacije. Učinek skladbe temelji izključno na orkestraciji. Skozi njo se odvija proces stopnjevanja, ki na vrhuncu izbruhne v kaos, čemur sledi nenaden zlom. Ravel sam je o svojem najslavnejšem delu dejal: »Ustvaril sem samo eno mojstrovino – Boléro. Žal pa nima ničesar opraviti z glasbo.«
<Musik: Maurice Ravel Boléro>
Koreograf Renato Zanella v glasbeni strukturi Boléra prepoznava boj med dvema ravnema – med melodijo, ki predstavlja razum in lepoto, in ritmom, ki pooseblja moč. Čeprav je Ravel pri komponiranju bolj mislil na industrializacijo, na ponavljajoče se, noro delo ob tekočem traku, je napetost, ujeta v glasbi, od samega začetka koreografsko interpretirana v erotičnem smislu. Pri krstni izvedbi baleta je takrat že 44-letna Ida Rubinstein v scenografiji španske taverne plesala na mizi in postopoma očarala sprva nezainteresirane moške goste. Dvajset moških se je vedno bolj približevalo mizi in na koncu so plesalko zagrabili in jo nazadnje dvignili nad svoje glave. Leta 1961 je Maurice Béjart ta koncept prevzel v svoji revolucionarni koreografiji, vendar je taverno stiliziral v prazen prostor z eno samo veliko mizo. Plesalka se je morala soočiti z dvakrat večjim številom moških, ki so jo na koncu predstave z nasilnim dejanjem pod seboj pokopali. Tudi Renato Zanella se v svoji koreografiji zgleduje po Béjarjevi zasnovi in Boléro obravnava kot crescendo nasilja, kot zanikanje svobode. V svoji različici za majhno zasedbo, sestavljeno iz plesalke in šestih moških, pa Boléro postane komorna igra, v kateri ritem sledi melodiji kot žival svojemu plenu. V ponavljajoči se strukturi glasbe sta melodija in ritem enako ujeta, kar neizogibno vodi v propad.
<Musik: Frédéric Chopin Nocturne>
Srednji del večera, Ssss… Edwarda Cluga, postavlja drugačen poudarek. Boléro se odlikuje po nenehno naraščajoči napetosti, Ssss… pa deluje z motnjami, upočasnitvami, namigi in umikanjem. Glasbeni material sestavlja šest nokturnov Frédérica Chopina. Izraz » nokturno« je mogoče še najbolje prevesti kot »nočna skladba« in se je prvotno nanašal na zabavne skladbe, ki so jih večinoma izvajali v večernih urah v čast določenim osebam ali kot serenade v parkih ali grajskih dvoriščih. Najbolj znano delo te vrste je verjetno Mozartova Serenada št. 13 za godala v G-duru, »Mala nočna glasba«. V 19. stoletju pa se je pomen pojma spremenil. Glasbeno ustvarjanje se je iz javnega življenja na dvoru preselilo v zasebno-meščansko okolje, umetniki obdobja romantike pa so razvili posebno naklonjenost do noči, ki jo je nemški filolog Ferdinand Hand leta 1841 povzel takole: »Noč zbudi posebna čustva in daje vsemu sentimentalni ton, saj zunanji svet, skrit v temi ali osvetljen v mraku, ne pritegne domišljije neposredno, ampak pusti, da prevladajo čustva, tako da se vsa dejavnost duše obrne navznoter. Nevihte življenja utihnejo in prsi napolni ljubeča, nežna globina.« Ta občutljivost, združena z sanjsko melanholijo in kančkom temnih strasti, zaznamuje tudi Chopinove nokturne. Te so manj usmerjene v zunanji učinek ampak bolj v notranje gibanje. Njihova téma je slišno premišljevanje, izginjanje in ponovno prevzemanje glasbenih misli.
Temu značaju sledi Edward Clug v svoji intimni koreografiji Ssss…, v kateri nastopa le šest Plesalk in plesalcev. Tri ženske in trije moški ne tvorijo stalnih parov, ampak vzpostavljajo raznolike odnose v spreminjajočih se okoliščinah. K temu je dodan še pianist, ki sedi za črnim koncertnim klavirjem in ga obkroža ducat klavirskih stolov. Prazna odrska scena ustvarja atmosfero osamljenosti, tiho distanco med liki. Plesalci, ki trenutno ne plešejo, sedijo s pogledom proti publiki in opazujejo svoje kolege. Med plesalci in gledalci nastane nekakšna arena. Ta postavitev ustvarja napetost med tistimi, ki opazujejo in tistimi, ki so opazovani, med pogledi in čustvi. Plesalci bolj kot dejanja prikazujejo stanja, občinstvu se ne prikazuje toliko dogodkov kot možnosti povezav in odnosov. Razpoloženje dopolnjuje nežna mesečina, ki odrski prostor prej ovija v mrak kot pa osvetljuje.
<Musik: Frédéric Chopin Nocturne>
Tretji del večera nosi naslov Ritual in prikazuje koreografijo Renata Zanelle na glasbo Igorja Stravinskega Le Sacre du printemps. Posvečenje pomladi, kot se glasi prevod naslova, je zaznamovalo odločilni preobrat v zgodovini glasbe in plesa. Premiera, ki je bila 29. maja 1913 v Parizu, je v zgodovino zapisana kot eden največjih umetniških škandalov 20. stoletja. Pisatelj Jean Cocteau se spominja: »Ob premieri Posvečenja je dvorana odigrala vlogo, ki jo je morala odigrati: upirala se je od samega začetka. Ljudje so se smejali, posmehovali, žvižgali, posnemali živalske glasove. Morda bi se tega sčasoma naveličali, če ne bi množica estetov in nekateri glasbeniki v svojem pretiranem zanosu žalili in celo fizično napadli gledalce v ložah. Razburjenje se je sprevrglo v pretep. Starejša grofica de Pourtalès je stala s prevrnjenim diademom v svoji loži , mahala z ročno pahljačo in z rdečim obrazom kričala: ›Prvič v šestdesetih letih si nekdo upa norčevati se iz mene!‹ Dobra gospa je bila iskrena; verjela je, da gre za potegavščino.«
Toda kaj je tako razburilo občinstvo iz leta 1913? O čem govori ta balet? O navdihu za slike (podobe) iz poganske Rusije v dveh delih, kot se glasi podnaslov baleta, je Stravinski sam izjavil naslednje: »Ko sem v Sankt Peterburgu zapisoval zadnje strani Ognjenega ptiča, me je nekega dne – povsem nepričakovano, saj sem bil zaposlen z drugimi stvarmi – prešinila vizija velikega poganskega praznovanja: stari modri možje sedijo v krogu in opazujejo smrtni ples mlade deklice, ki naj bi jo žrtvovali, da bi si poklonili bogu pomladi. To je bila tema Posvečenja pomladi.« In dejansko balet nima nobene druge vsebine kot to pomladno žrtvovanje: glasba pripoveduje o pripravah in izvedbi arhaičnega rituala in kulminira v žrtvenem plesu mlade deklice, ki pred modreci svojega ljudstva pleše do smrti.
<Musik: Igor Stravinsky Le Sacre du Printemps (Die Frühlingsweihe)>
Upodobitev takšnega nasilnega dejanja na odru je bila za družbo Belle Époque morda šokantna. V tistem času so se namreč posvečali izpopolnjevanju duha in uživanju v lepoti življenja, pri tem pa namerno spregledali nasilje, ki je vrelo pod elegantno površino in ki je leto po premieri izbruhnilo v prvo svetovno vojno. Tudi na glasbenem področju je Stravinski prinesel novosti, ki so preobremenile ušesa občinstva. Tako je v velikem delu Posvečenja pomladi ritem edini prevladujoči element. Orkester pogosto postane eno samo veliko tolkalo, čeprav je dejanska skupina tolkal relativno majhna, vsaj v primerjavi s simfonijami Gustava Mahlerja ali Straussovo Salome. Poleg tega so ritmi zaradi neenakomernih poudarkov in pogostih sprememb taktovskih načinov na ušesa, vajena romantične glasbe, verjetno delovali barbarsko in kaotično. Najbolj radikalno se nova raba ritma in dinamike manifestira v zaključnem Danse sacrale, žrtvenem plesu, v katerem izbranka modrecev pleše do smrti. Melodija ima v tradicionalnem smislu izven uvodov v oba dela relativno podrejeno vlogo. Stravinski je mnoge od uporabljenih motivov črpal iz zbirke litovskih in ruskih ljudskih pesmi.
Pri Posvečenju pomladi se je koreograf soočal z vprašanjem, kako v današnjem času upodobiti ritual, ki izvira iz domišljije surove preteklosti. Zanella se je v svoji koreografiji posvetil ritualu, ki ga človeštvo od nekdaj najbolj vztrajno prakticira – vojni. V paradoksalni domnevi, da lahko mir dosežejo z njegovim žrtvovanjem, se ljudje med seboj vedno znova potiskajo v neznosno trpljenje. Pogosto se religija uporablja tudi za prikrivanje nasilnih dejanj in zločinov. Tako v zadnjem delu večera koreografija prikazuje družbo, prežeto s fanatizmom. V tej različici Posvečenja pomladi žrtev ni mlada ženska, kot v prvotni Stravinskijevi zasnovi, ampak mlad par. Moški sledi svojim učiteljem – tako imenovanim modrecem – in se odloči, da bo sam žrtvoval ljubezen. Tako ta ritual pripoveduje tudi zgodbo o uničenih človeških odnosih. Srečne mlade ljudi spremeni v morilce, ki sprejmejo svojo vlogo v imenu tega, kar menijo, da je nujno za napredek. V uprizoritvi teh nasilnih dogodkov pa ni mišljeno biti pesimističen, ampak pokazati možnost, da se v umetnosti pojasni nevarnosti napačno razumljene religije ali ideologije. Tako nam umetniško ustvarjanje kaže tudi to, da imamo moč, da se odločimo za življenje v miru in ne za življenje v vojni.