11. April 2023

Der Junge von nebenan

»Und dann ist plötzlich der Punkt da, wo der Gesichtsausdruck der jungen Leute sich verändert, die Köpfe zu rattern beginnen und Betroffenheit sich im Raum breit macht…«

Das Jugendstück Softgun von Mats Kjelbye und Dirk H. Fröse thematisiert Gewalt unter Kindern und Jugendlichen. Ab 23. Mai 2023 zeigen wir das Gastspiel des Theater WalTzwerk im Orchesterprobenraum des Stadttheaters. Schauspieler Markus Achatz im Interview über ein hochaktuelles Stück, das nachhaltig und ganz ohne erhobenen Zeigefinger bewegt …

Markus, Du spielst in Softgun den jungen Mann Ed, der über die vergangenen Jahre seiner Jugend/Kindheit reflektiert. Wer ist dieser Ed? Der typische Junge von nebenan oder eher ein schwarzes Schaf der Gesellschaft?
Die meisten Leute würden Ed wohl einen »Asozialen« nennen. Er ist in »schwierigen« Verhältnissen aufgewachsen, abseits eines funktionierenden Familiensystems, das ihm Halt gegeben hätte. Und auch Eds Freunde sind das, was man »die falschen Freunde« nennen würde. Kurz gesagt: Das Leben hat Ed bereits seit früher Kindheit sehr gefordert. Und das zeigt sich natürlich. Er lebt das aus, was er von klein auf gelernt hat: Man muss sehen, wie man durchkommt, mit Ellbogen und Gewalt. Dass er sich damit Probleme einhandelt, liegt auf der Hand…

Wie sehen diese Probleme aus?
Ed und seine Freunde prügeln ein anderes Kind bei einer Schlägerei krankenhausreif. Das ist der Wendepunkt. Ed landet im Gefängnis und hat erst einmal jede Menge Zeit, über sein bisheriges Leben nachzudenken.

Du hast Softgun bereits 2013 in Klagenfurt gespielt. Dass Ihr das Stück jetzt, 10 Jahre später, wieder aufnehmt, interpretiere ich so, dass Ihr von der hohen Qualität und auch der Relevanz des Themas überzeugt seid…
Absolut! Das Stück ist einfach toll gebaut und funktioniert, obwohl es bereits 15 Jahre alt ist, heute noch mindestens ebenso gut wie damals. Gewalt unter Kids und Jugendlichen ist leider einfach ein zeitloses Thema. Umso wichtiger ist es, es auch immer wieder zu thematisieren.

Und wie reagieren Deine Zuschauer*innen auf das Thema?
Zu Beginn des Stückes wird oft noch gescherzt, stellenweise sorgen manche Szenen sogar für Gelächter. Aber dann geht es schnell ans »Eingemachte«. Man kann zusehen, wie der Gesichtsausdruck der jungen Leute sich verändert, man hört regelrecht die Köpfe rattern und spürt, wie zunehmende Betroffenheit sich im Raum breit macht.

Ist das auch die Absicht der beiden Stückautoren Mats Kjelbye und Dirk H. Fröse, den jungen Leuten zu sagen, Du, so sollte es nicht laufen?
Ja, das denke ich schon. Aber das kommt absolut nicht mit dem sprichwörtlichen erhobenen Zeigefinger daher. Dazu verstehen die beiden ihr Handwerk zu gut. Und das braucht es auch gar nicht, die Geschichte funktioniert auch so. Und zwar auf der emotionalen Ebene, und das ist noch viel wertvoller und nachhaltiger.

Bleibt die Frage offen, wie eine so hochdramatische Story enden kann…
Ein Happy End, bei dem sich alle mit der Erkenntnis »leider blöd gelaufen, wir werden es in Zukunft besser machen« in die Arme fallen und lieb haben, wäre natürlich blödsinnig und kitschig. Der einzige logische Schluss kann nur ein offenes Ende sein. Ein Ende, das uns mitgibt: Du kannst Dein Leben selbst gestalten, jeden Tag aufs Neue, entscheide Dich, Du hast jeden Tag wieder die Möglichkeit, es besser zu machen!

Softgun
Von Mats Kjelbye und Dirk H. Fröse
Ein Gastspiel des Theater WalTzwerk
ab 12 Jahren
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