Broadway und Sinfonie, Jazz und Klassik, religiöse Musik und Tanz – unterschiedlicher könnte das Programm für das KSO-Konzert »West Side Story« am 12. Oktober 2022 nicht sein. Chefdirigent Nicholas Milton erzählt, was den Reiz dieses – scheinbar so willkürlich zusammengestellten – Programmes ausmacht und was es so »heutig« macht.
West Side Story ist Bernsteins berühmtestes Werk, erst im letzten Jahr wurde es erneut als Blockbuster verfilmt – von Hollywood-Altmeister Steven Spielberg. Wie passt diese Musik in unsere Zeit?
Bernsteins unglaubliche, pulsierende, dynamische Musik beinhaltet eine universell gültige Nachricht, die in diesen schwierigen Zeiten nicht besser passen könnte. Sowohl in Europa als auch in Asien machen sich zunehmendes Unbehagen und Missmut breit. Und auch in den Vereinigten Staaten scheinen die Zerrüttung und die scheinbar unkontrollierbaren Konflikte zwischen den größten politischen Parteien zuzunehmen. Diese Themen greift auch Bernsteins Musik auf: Über die beiden tragischen Figuren zweier Liebender, Maria und Tony, wird ausgesprochen, dass man mit Konflikten keine Probleme lösen kann.
West Side Story ist ja eigentlich eine Wiedererzählung von Shakespeares Romeo und Julia-Geschichte. Die Musik ist unglaublich vielseitig, sie hat von Freude und Begeisterung bis hin zu wütenden Auseinandersetzungen einfach alles! Ich habe mich für dieses Werk entschieden, weil es einfach perfekt ist, um meine zweite Spielzeit mit dem großartigen KSO zu beginnen. Und natürlich wollte ich auch einen musikalischen Kontrapunkt zur großen Eröffnungsproduktion der neuen Spielzeit setzen, Wagners Siegfried.
Das Saxophon verbinden die meisten Menschen eher mit Jazz als mit klassischer Musik, nun spielt das KSO gemeinsam mit der Solistin Asya Fateyeva die Saxophon-Sonate von Erwin Schulhoff. Wie verbinden sich hier die verschiedenen Stilrichtungen?
Tatsächlich haben wir uns ganz bewusst für dieses Saxophon-Konzert entschieden. Das Saxophon kommt nicht nur in dieser Sonate, sondern in jedem Stück des Abends vor, also auch bei Bernstein und Rachmaninow. Ganz offensichtlich vermag es das Instrument, der breiten orchestralen Klangpalette ganz besondere, überraschend neue Noten zu geben. Mit unserer Solistin Aysa habe ich bereits mehrmals zusammen gearbeitet – sie ist sicherlich eine der weltbesten Saxophonistinnen. Sie ist eine Virtuosin, der die Musik aus jeder einzelnen Pore zu strömen scheint, sie ist einfach unglaublich!
Überhaupt ist Virtuosität das Element, das alle Werke dieses Konzertprogramms verbindet. So gehören sowohl Bernsteins als auch Rachmaninows sinfonische Tänze zu den herausforderndsten Stücken des gängigen Repertoires. In jedem Abschnitt gibt es äußerst anspruchsvolle Solopassagen, bei denen unsere Musiker*innen immer wieder ihr außerordentliches Talent unter Beweis stellen können.
Rachmaninow, bekannt für mitreißende Melodien und großartigen Orchesterklang, betrachtete die Sinfonischen Tänze als sein bestes Werk, das er anders als viele andere Kompositionen nach der Fertigstellung nicht mehr überarbeitete. Was ist das Besondere an diesem Stück?
Rachmaninows Sinfonische Tänze sind wirklich eine ganz wunderbare Komposition! Der Komponist setzt auf ein gigantisches Orchester und die ganze Bandbreite von Schlaginstrumenten um eine Klanglandschaft zu schaffen, die eine schier endlose Vielfalt an Variationen erlaubt und eine faszinierende Palette fröhlicher Rhythmen und Farben bietet. Es macht so viel Spaß, dieses Werk zu spielen und ich garantiere: Auch unser Publikum wird es lieben – man kann fast nicht anders, als am Ende aufzustehen und mitzutanzen!