4. Januar 2022

Gedankenfabrik und Herzschlag

Die Klagenfurter Erstaufführung von Jakob Lenz entsteht in einer Zusammenarbeit von Mitarbeiter*innen des Stadttheaters: Studienleiter und Kapellmeister Mitsugu Hoshino übernimmt die Musikalische Leitung. Regie führt Sophie Springer, die als Regieassistentin zahlreiche Produktionen des Hauses begleitet hat. Für Bühne und Kostüme zeichnen Ausstattungsleiter*in Thomas Stingl und Bettina Breitenecker verantwortlich. Die psychische Zerrüttung der Hauptfigur spiegelt sich in allen Aspekten der Produktion wider.

Komponist Wolfgang Rihm spricht von einer »Zustandsbeschreibung innerhalb eines Zerfallsprozesses«. Wie hast du dich als Regisseurin diesem komplexen Thema gewidmet?

Sophie Springer: Lenz war als Dichter ein Genie, das zu Lebzeiten verlacht, ausgegrenzt und nicht anerkannt wurde. Er litt an Schizophrenie, eine Krankheit, die Betroffenen ein Gefühl der Enge, des Zugeschnürtseins gibt – Suizid ist eine häufige Folge. Wir zeigen auf der Bühne einen zeitlosen Jakob Lenz, der an seiner Situation zerbricht und den Glauben verliert. Angst und Einsamkeit beherrschen ihn. Das problematische Verhältnis zu seinem Vater hat den Dichter zusätzlich traumatisiert. In der Oper wird der Protagonist von sechs Stimmen in seinem Kopf begleitet, in unserer Inszenierung zusätzlich von seinem jungen Ich.

Wie nähert ihr euch dem Thema der Oper in Bühnen- und Kostümbild gestalterisch an?

Thomas Stingl: Die Bühne erinnert an eine Fabrikshalle, sie stellt gewissermaßen die »Gedankenfabrik« von Lenz dar. Über fahrbare Stege sollen Verflechtungen, aber auch Irrwege verbildlicht werden. Auf eine verschmutze Fensterwand im Hintergrund projizieren wir Gedanken, Sehnsüchte und Ängste der Hauptfigur.

Bettina Breitenecker: Eine besondere Herausforderung war die Konzeption der »sechs Stimmen«, die auf der Bühne keine eigenständigen Personen darstellen. Vielmehr drücken sie Gefühle
und innere Zustände von Jakob Lenz aus. Ihre Kostüme verbildlichen manisch-depressive Angstzustände, Wut, Ekel, aber auch das Reine, die Schönheit und die Liebe.

Wie beschreibt die Musik Lenz’ innere Zustände?

Mitsugu Hoshino: Die Instrumentierung in diesem zeitgenössischen Werk ist außergewöhnlich, es gibt z.B. drei Celli, auch ein Cembalo spielt eine große Rolle. Rihm hat in seiner Komposition
verschiedene Stile vereint: So sind u. a. eine Sarabande, ein Tanz aus dem Barock, oder ein volkstümlicher Ländler Teil der Partitur. Lenz singt extreme Intervalle, eine Trommel wird wie sein rasender Herzschlag gespielt. Die Musik ist intensiv und wir werden im Probenprozess noch einiges ausprobieren.

Eindrücke von der Probebühne (c) Stadttheater Klagenfurt