Nicholas Carter (35) verabschiedet sich als Chefdirigent des Kärntner Sinfonieorchesters nach Bern: Der Australier über Klagenfurt, besondere musikalische Erlebnisse und das fehlende Jahr. (Helmut Christian / Kleine Zeitung)
Mit welchen Gefühlen nehmen Sie vom Stadttheater Klagenfurt Abschied?
Nicholas Carter: Ich werde mit Klagenfurt immer verbunden sein. Mein Sohn kam hier zur Welt. Er und meine Tochter haben sich hier sehr wohl gefühlt. Ich wohnte ja bisher immer in Großstädten wie etwa Sydney oder Hamburg. Hier in Klagenfurt ist alles viel intimer, freundlicher und entspannter. Es ist eine herrliche Stadt mit großer Lebensqualität. Ich habe viele Freundschaften, besonders im Theater und im Orchester geschlossen. Ich gehe jetzt nach drei Jahren, gefühlt waren es wegen der Pandemie nur zwei, schon auch mit Wehmut weg.
Was waren hier am Haus Ihre ganz persönlichen Höhepunkte?
Mein erstes Stück hier am Stadttheater, „Rusalka“ von Antonín Dvořák, fand ich sehr gelungen, ebenso „Tannhäuser“ und „Elektra“, obwohl diese Oper aufgrund der Corona-bedingten Situation ganz anders, nämlich mit dem Orchester auf der Bühne, aufgeführt werden musste. Und ich habe mich gefreut, dass Debussys „Pélleas et Mélisande“ beim Publikum sehr gut angekommen ist, obwohl es ein Stück für Opernkenner ist. Im Konzertbereich waren es Haydns „Schöpfung“ oder Bruckners „Achte“.
Können Sie sich auch an irgendwelche Flops erinnern?
Eigentlich nicht. Aber es stimmt mich traurig, dass wir den „Barbier“ nur einmal und in stark reduzierter Fassung für eine ORF-Aufnahme ohne Publikum spielen konnten. Da steckte von allen so viel Mühe drinnen. Mit Zuschauern und deren Feedback wird jede Aufführung atmosphärisch viel besser. Traurig ist auch, dass wir Verdis „Rigoletto“ auf die kommende Saison verschieben mussten. Durch Corona fehlt der Gesellschaft momentan etwas unbeschreiblich Wichtiges, die Kultur. Wir alle brauchen sie ganz dringend, denn die Geschichten der Menschheit müssen erzählt werden.
Was werden Sie in Klagenfurt noch dirigieren?
Sofern dies erlaubt sein sollte, leider nur mehr zwei Vorstellung des „Barbier von Sevilla“ am 7. und 14. Mai. Alle Konzerte, die für diese Spielzeit mit tollen Solisten geplant waren, konnten nicht realisiert werden, was mir sehr leidtut.
Welche weiteren Pläne gibt es für Sie?
Im Mai noch zwei Konzerte in Australien, in Sydney und Melbourne. Da muss ich allerdings frühzeitig hinreisen, denn ich muss 14 Tage in Quarantäne. Dann folgt Tschaikowskis „Eugen Onegin“ in Santa Fe/USA. Das sollte möglich sein, denn es ist eine Freiluftaufführung. Und falls die Metropolitan Opera in New York wieder aufsperrt, ist 2022 mein Debüt mit der Oper „Hamlet“ von Bratt Dean geplant und danach noch eine weitere Oper, die ich aber noch nicht verraten darf. Und dazwischen kommt ein „Figaro“ beim Glyndebourne Festival.
Wie sind Sie mit der Qualität des KSO jetzt am Ende ihres Wirkens zufrieden?
Diese ist merkbar gestiegen. Es gibt wunderbare, ehrgeizige, auch neue Kollegen, die mit großer Freude musizieren.
Haben Sie ihren Nachfolger Nicholas Milton, ebenfalls ein Australier, schon vorher gekannt?
Nein, ich habe ihn, so kurios es klingen mag, erst hier in Klagenfurt kennengelernt.
Was erwartet Sie in Bern, Ihrem zukünftigen fixen Engagement?
Bern ist auch eine wunderschöne Stadt mit einem schönen Theater, aber wie die gesamte Schweiz sehr teuer. Ich werde dort Operndirektor und Chefdirigent des Opernorchesters sein. Das Orchester ist sehr gut und sehr groß. Es hat um die 110 Musiker und ich habe es schon dirigiert. Das Theater ist ähnlich groß wie in Klagenfurt, aber der Orchestergraben ist viel größer. So kann man dort auch größere Opern aufführen. Es werden pro Saison acht unterschiedliche musikalische Werke, hauptsächliche Opern und Musicals aufgeführt, von denen ich drei dirigieren werde. Und es finden 18 bis 20 Konzerte statt, wo ich bei einigen auch am Pult stehen werde. Ich freue mich schon auf die neue Herausforderung. Dort werde ich wieder mit Florian Scholz zusammenarbeiten, mit dem die Chemie stimmt. Demnächst werde ich mit der gesamten Familie nach Bern übersiedeln. Wir haben auch schon eine Wohnung. Ich werde aber Klagenfurt, das Stadttheater und meine Freunde hier vermissen. Ich scheide mit einem weinenden und einem lachenden Auge, wie man hier so schön sagt.