Home NewsMachtpolitik, Korruption, Message-Control
3. Januar 2020

Machtpolitik, Korruption, Message-Control

Während die Proben für Der Parasit in St. Pölten über die Bühne gingen, befand sich die Republik Österreich mitten im Wahlkampf zur vorgezogenen Nationalratswahl und eine  Expertenregierung leitete danach die Geschicke des Landes. Interessante politische Zeiten, deren Vorgeschichte und Phänomene sich verschiedentlich auf die Komödie von Friedrich Schiller beziehen lassen. Dramaturgin Julia Engelmayer im Gespräch mit der Politikwissenschafterin Dr. Daniela Ingruber von der Donau-Universität Krems und dem Austrian Democracy Lab.

Engelmayer: Die politische Situation ist die Folge eines Skandals und auch die Handlung von Der Parasit setzt nach einem politischen Skandal ein. Welche Bedeutung haben politische Skandale? Verändern Sie überhaupt das Bewusstsein der Menschen? Nehmen wir einmal den bekanntesten aller Politskandale als Beispiel, Watergate.
Ingruber: Die Watergate-Affäre hat sehr viel verändert und ist noch immer im Bewusstsein der US-amerikanischen Bevölkerung verankert. Das Enttäuschende war, dass jemand, dem die Menschen wirklich vertraut haben, denn dem damaligen Präsidenten Nixon wurde sehr vertraut, buchstäblich bis zur letzten Sekunde gelogen hat. Das hat zu dem geführt, was wir heute als Politikverdrossenheit kennen. Diese persönliche Enttäuschung – jemandem seine Stimme zu leihen oder zumindest überzeugt zu sein, dass diese Person integer ist und ihren Job macht, dann aber festzustellen, dass alles abgesprochen ist – war für viele Menschen sehr groß und das Ausmaß der Affäre, zu sehen, was alles machbar ist, wie man Dinge verheimlichen und an der Demokratie vorbei organisieren kann, war schockierend. Politische Skandale zerstören das Image der Politik. Auch wenn ein Skandal strafrechtlich nicht relevant ist, wie im Fall von Ibiza, so
ist er demokratiepolitisch unendlich bedenklich. Im Moment kann man jeden Tag irgendetwas lesen, wodurch das System an sich in Frage gestellt wird.

Bedeutet das, dass Skandale einer populistischen Politik in die Hände spielen?
In der Wahrnehmung vieler Menschen sind undifferenziert „die da oben“ an einem Skandal schuld, „die Elite, die immer gegen uns war“. Im schlimmsten Fall heißt es dann, dass sich ein Verhalten quer durch alle Parteien zieht und „eh alle gleich sind“. Damit werden alle unglaubwürdig und gerade solche, die so gar nicht dem Politikerimage entsprechen, die unter anderen Umständen nicht aufkommen würden, wie Donald Trump und Boris Johnson, können dann umso erfolgreicher agieren, weil sie für eine Politik gegen das Establishment stehen.

Abgesehen von der Auflösung der Regierung und den vorgezogenen Neuwahlen – wie ist die politische Öffentlichkeit mit dem Ibiza-Skandal umgegangen?
Theoretisch hätte das Ibiza-Video auch ein Anlass sein können, um danach intensiv über Machtpolitik und Korruption nachzudenken. Aber die damaligen Regierungsparteien haben es sehr schnell geschafft, die Frage umzudrehen. Im Vordergrund stand dann, dass der Prozess der Aufnahme an sich illegal war, während die Inhalte aus dem Focus gerückt wurden.
Da sind wir schon bei der Message-Control, die auch Selicour sehr gut beherrscht: Die Nachrichten so zu drehen, dass sie für ihn sprechen. Selicour schafft sich die Situationen so, wie er sie braucht. Er weiß, was er La Roche angetan hat und dass er da freundlich sein muss. Er hat ja zur Sicherheit sogar schon eine neue Stelle für ihn geschaffen. Aber wenn sich eine Situation
dreht, wie hinsichtlich des Memoirs, hüpft er von einer Position zur anderen. Je nach dem, was gerade opportun ist.

Was ist wichtig, damit die Message Control funktioniert? Man muss ja immer glaubwürdig bleiben.
Eine der wichtigsten Regeln ist: Kenne dein Publikum. Was denkt und erwartet der andere, was braucht mein Gegenüber, was will er oder sie hören? Und, das ist ganz wichtig: Wie formuliere ich es so, dass der andere nicht bemerkt, dass ich bemerkt habe, was er braucht. Selicour kann genau das – er redet den anderen nicht nur nach dem Mund, außer vielleicht in der einen Szene mit Narbonne, sondern Selicour ist ihnen immer einen Schritt voraus. Message-Control ist viel Arbeit. Es ist unheimlich anstrengend, eine perfekte Kommunikationsstrategie durchzuhalten.

Bei Selicour fällt auch auf, dass er nicht nur die Gedanken, sondern auch die Gefühle der anderen aufnimmt oder vorwegnimmt.
Emotion ist eine der Grundregeln überhaupt. Wenn ich die Menschen emotional erreiche, merken sie gar nicht, dass ich weniger Inhalt bringe bzw. brauchen sie weniger Inhalt. Da sind wir uns übrigens alle ähnlich. Auch hochintellektuelle Leute fallen darauf rein. Dazu kommen die bekannten Techniken des NLP, die sehr genau vorgeben, wann ich jemanden anschaue, wann ich vorbeischaue, wie ich mein Gegenüber spiegle, wie sehr ich die Tonalität der Sprache des Gegenübers annehme.

Welche Emotionen wünschen sich Menschen von Politikern?
Das Gefühl von Sicherheit und dass jemand erkennt, wer sie sind. Dass sich jemand um sie kümmert. Deshalb ist eine Rhetorik voller Stehsätze erfolgreich, wie: Ich bin ganz bei Ihnen. So meine ich es. Wir arbeiten da schon dran. Ich verstehe Sie! Deshalb funktionieren im Wahlkampf Bilder mit Kindern, älteren Frauen, Feuerwehrmännern so gut. Diese Bilder erzählen, dass da jemand von seinem oder ihrem Podest heruntersteigt und sagt, ich bin gleich wie du.

(…)

Das vollständige Interview lesen Sie im Programmheft zur Produktion Der Parasit.