Spannendes musikalisches Neuland betritt das KSO bei seinem nächsten Konzert am 27. November 2022 im Konzerthaus Klagenfurt. Als Solo-Flötist ist Ludovico Degli Innocenti zu hören, als Gast steht der hochgelobte französische Dirigent Adrien Perruchon am Pult. Ein herausforderndes Projekt, das mit komplett neuen Rhythmen und Klängen begeistert…
Ludovico, Du spielst seit zwei Jahren im Kärntner Sinfonieorchester und konzertierst mit diesem nun zum ersten Mal als Solist. Freust du Dich auf diese Herausforderung?
Ja, ich freue mich wirklich sehr! Es ist immer wieder ein großes Privileg, als Solist zu spielen. Eine besondere Freude ist es aber, mit meinen Kolleg*innen musizieren zu dürfen (Anm. Ludovico ist seit 2,5 Jahren Solo-Flötist des Kärntner Sinfonieorchesters), da wir mit unseren unterschiedlichen Klangfarben und Spielweisen vertraut sind. So schwingt eine einzigartige Energie durch den Raum, die wir miteinander und mit dem Publikum teilen.
Matthew Hindsons House Music beschreibt die Ereignisse in einem mehr oder weniger normalen Wohnhaus. Welche Rolle spielt die Flöte dabei?
Eine sehr wichtige. Hindson wollte mit seinem Stück aufzeigen, auf wie viel verschiedene Arten man eine Flöte spielen kann. Das kennt man aus der klassischen Musikwelt möglicherweise gar nicht. Das Zusammenspiel von Flöte und Orchester soll die Zuhörer*innen dabei nicht nur durch ein normales Wohnhaus führen, sondern auch durch verschiedene Zeiten, Epochen und Genres. Ich für mich interpretiere Hindsons Werk so, dass er die Zuhörer*innen auf eine Art musikalische Zeitreise in Form eines Hausbesuches einlädt. Ganz nebenbei ist das Werk aber auch eine interessante Anspielung auf das Techno-Genre »House Music«. Der Grund dafür dürfte sein, dass Matthew Hindson selbst ein großer Techno-Fan ist und diesen Stil auch 12 Jahre lang genauestens studiert hat. Durch das Stück verschmilzt das computerbasierte Genre Techno mit der klassischen Musik zu einem spannenden neuen Werk.
Welche technischen Herausforderungen bietet das Werk?
Als Musiker*in ist man bei dem Stück unglaublich gefordert: So ist es z.B. voll mit Obertönen, sogenannten »Harmonics«, Glissandi, extrem dynamischen Unterschieden und schnellen Passagen. Das ist spannend und herausfordernd zugleich, sowohl für das Orchester, als auch für mich. Damit hier alles »glatt« läuft, braucht es unbedingt eine enge Verbindung zwischen Solist, Dirigent und Orchester – vor allem im 2., dem »langsamen«, Satz! Sehr hilfreich bei der Vorbereitung war auch die Beschreibung und Interpretation der einzelnen Sätze, die der Komponist Matthew Hindson seinem Werk hinzugefügt hat.
Adrien, Sie dirigieren heute zum ersten Mal das Kärntner Sinfonierochester. Waren Sie jemals zuvor in der Gegend?
Ich bin zum ersten Mal in Klagenfurt, habe aber kürzlich ein Konzert in Villach gegeben. Auf meinem Weg nach Kärnten habe ich durch das Zugfenster die wunderbare Landschaft bewundert. Ich bin in Annecy, Frankreich, geboren. Die Umgebung hier mit dem See und den wunderschönen Bergen erinnert mich sehr stark an meinen Geburtsort.
Sie musizieren mit dem KSO ein sehr breit gefächertes Programm: Zwei Klassiker von Beethoven umrahmen die österreichische Erstaufführung von Matthew Hindsons Flötenkonzert House Music und ein kurzes Intermezzo der koreanischen Komponistin Unsuk Chin. Was verbindet die Stücke, was unterscheidet sie?
Der rote Faden, der sich durch beide Kompositionen zieht, ist Beethoven. Unsuk Chins sehr farbreiches Stück zitiert »Momente« und »Impressionen«, die wir auch in Beethovens Arbeit finden. Die Art, wie das zum Ausdruck kommt, erinnert mich an einen Traum, in dem jemand in einem Haus gefangen ist. Er/sie läuft von Raum zu Raum, öffnet eine Tür nach der anderen und findet die Geister all dieser Meisterwerke vor. Dann wird die Tür wieder geschlossen, »Subito« und »Con Forza«! Was ich sehr mag, ist, dass es ein »Mini-Konzert« für das ganze Orchester ist, in der jede einzelne Instrumentengruppe ihren großen Auftritt hat. Und dann natürlich die Ouvertüre Die Weihe des Hauses: Eine wunderbar einladende Komposition, in beruhigender C-Dur, eine großartige Eröffnung des Konzertes! Die Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60, seltsamerweise zwischen Eroica und der – nicht weniger monumentalen – 5. Sinfonie angesiedelt, ist eine durchwegs positive Komposition, voller Humor und Überraschungen. Sowohl die Sinfonie, als auch die Ouvertüre werden nicht so oft aufgeführt, umso mehr freue ich mich darauf, sie beide in diesem Konzert zu hören!
House Music – dieser Titel lässt als erstes an Technomusik denken, doch in Wahrheit handelt es sich hier um das Porträt eines (groß)bürgerlichen Wohnhauses. Wie werden die Geschehnisse darin musikalisch beschrieben?
Jede Bewegung betrifft verschiedene Teile eines Hauses, so entsteht eine Art »Soundtrack«: Atmosphärische Klänge vermischen sich mit alltäglichen Geräuschen – in der Küche und in der Garage kann man das Echo von Haushaltsgeräten und Werkzeugen hören, durchs Foyer zieht ein Luftzug, der auf der Terrasse ein Windspiel zum Klingen bringt, und im Kinderzimmer hört man die Geräusche von Videospielen. Die Aktivität jedes Raumes gibt die Stimmung und auch das musikalische Tempo vor. Die Küche ist dabei der lebendigste Platz, das finde ich schön, das ist bei mir zu Hause auch so!