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25. Oktober 2024

Andrea Eckert: »Ich akzeptiere Hierarchien nicht«

Andrea Eckert ist noch bis 15. November als Maria Callas am Stadttheater zu sehen. Ein Gespräch über die große Sängerin, Übergriffe und Julien Green.

Marianne Fischer/Kleine Zeitung
Foto: Helmuth Weichselbraun

Maria Callas (1923 bis 1977) war »la Divina«, die Königin der Oper. Terrence McNally erzählt in seinem Stück Meisterklasse von Meisterkursen, die sie gegen Ende ihrer Karriere an der Juilliard School in New York gab und schildert Callas als launenhafte und schonungslose Lehrerin. Am Wiener Volkstheater feierte Andrea Eckert als Maria Callas 1997 Premiere, das Stück wurde dort über 12 Saisonen vor ausverkauftem Haus gespielt und begeisterte in 170 Vorstellungen mehr als 170.000 Besucherinnen und Besucher. Anlässlich des 100. Geburtstags der Diva im Vorjahr ist Andrea Eckert wieder als Maria Callas auf die Bühne zurückgekehrt, derzeit ist die »Meisterklasse« am Stadttheater Klagenfurt zu sehen.

Wie war es, im vorigen Jahr nach einer Pause von 15 Jahren wieder in die Haut von Maria Callas zu schlüpfen?

Andrea Eckert: Sehr vertraut. Als man mich gefragt hat, war ich zuerst entschlossen: Das mache ich nicht noch einmal. Das Stück war mein größter Erfolg und auch der größte Erfolg des Volkstheaters, so etwas soll man nicht wieder aufwärmen. Aber dann war mir die Figur  so lieb und nah, und  auch bei den Proben gleich wieder da. Nicht nur der Text, sondern die ganze Callas-Welt, die ich mir damals gebaut habe.

Hat sich die Figur verändert?

Ich habe mich verändert. Damals war ich sehr jung für die Rolle, das Stück spielt ja gegen Ende ihres Lebens. Ich verstehe nun sicher besser, was es bedeutet, wenn etwas definitiv zu Ende ist, das Wort Abschied, das »Nie mehr Wieder«. Die Einsamkeit der Figur war mir immer nahe, sie ist der Kern der Figur, aber jetzt empfinde ich sie finaler und härter.

Wie sehr haben Sie sich ursprünglich mit der Autobiografie von Maria Callas beschäftigt?

Ich habe viel über sie gelesen, um die Einzigartigkeit ihrer Erscheinung am Opernhimmel zu verstehen. Natürlich ist die Callas, die uns im Stück begegnet, eine literarische Figur. Terrence McNally hat das Stück grandios recherchiert, geschrieben und auch zugespitzt. In Wirklichkeit war Maria Callas eine freundliche, kooperative Lehrerin, das zeigen die Videos der zwei Meisterklassen, die sie an der Juilliard School in New York gab. Es war ein Kunstgriff von McNally, sie so gnadenlos zu zeigen. Ihr strenger Unterricht verdeutlicht den Anspruch, den sie immer an sich selbst hatte, ihre Schonungslosigkeit, ihre Erbarmungslosigkeit, ihre Hingabe. Alles in ihrer Kunst kreist um den Begriff »Wahrhaftigkeit«. In der letzten Szene lässt uns der Autor frieren vor ihrer unfassbaren Einsamkeit.

Sie war verzweifelt, weil sie viel zu früh ihre Stimme verloren hat. Sie hat aber auch viel zu früh viel zu große Rollen gesungen, oder?

Maria Callas hat immer betont, dass sie keine Kindheit hatte, die Mutter hat ihre atemberaubende Stimme sofort als Erwerbsquelle erkannt. Wenn sie in Athen bei offenem Fenster geübt hat, blieben die Leute stehen, um ihr zuzuhören. Sie hat viel zu früh mörderische Partien gesungen.  Singen – das war ihr Platz auf der Welt! Auf der Bühne hat sich jedes Mal rückhaltlos hergeschenkt. Ihre Arien waren Selbstverbrennungen, wie ein Kritiker einmal schrieb.

Im Stück geht es auch um Machtmissbrauch. Haben Sie als Schauspielerin selbst solche Erfahrungen gemacht?

Ich spiele seit 1981 Theater, damals war eine vollkommen andere Zeit, Übergriffe, welcher Natur auch immer, waren an der Tagesordnung. Und keiner hat geholfen. Ich akzeptiere Hierarchien grundsätzlich nicht, deshalb hatte ich immer Schwierigkeiten und war nur einmal länger fix an einem Haus engagiert. Das Volkstheater wurde damals mit Emmy Werner von einer Frau geleitet und das hat man gespürt. Sie war die erste Direktorin eines großen Wiener Theaters und hat mir eine fantastische Rolle nach der anderen zugetraut : Judith, Elektra, Maria Stuart, Penthesilea und viele andere starke Frauen bis zu Maria Callas. Es ist wohl eine gewisse Kraft und Vehemenz in mir, die gut zu diesen Rollen passt.

Viel Kraft braucht sicher auch für die Rolle der Maria Callas, unter anderem ist immens viel Text zu bewältigen. Woher nehmen Sie die Kraft dafür?

Ich bereite mich auf eine Vorstellung den ganzen Tag vor, bin ab 15.30 Uhr im Theater, spreche meinen Text durch, höre den Gesang von Maria Callas. Ich lösche mein Alltagsleben und mache mich ganz frei für das, was auf mich zukommt. Es ist für mich jedes Mal wie auf dem Trapez stehen und springen. Routine gibt es nicht. Man weiß nie, wie man landet, jede Vorstellung ist anders.

Liegt das auch daran, dass Sie sich immer wieder direkt ans Publikum wenden?

Natürlich. In diesem Stück spielen die Zuschauer ja sozusagen mit und ich spüre ihre Energie. Das Publikum in Klagenfurt reagiert klug und humorvoll. Ich merke das Verständnis für die Welt der Bühne und des Gesanges. Außerdem umfängt mich beim Schlussapplaus eine Herzlichkeit und Liebe, wie man sie als Schauspielerin nicht oft geschenkt bekommt.

Pendeln Sie derzeit zwischen Klagenfurt und Wien?

Das Theater hat eine Wohnung zur Verfügung gestellt und ich  bleibe gerne öfter in Klagenfurt. Hier ist die verehrte Ingeborg Bachmann geboren. Ich versuche, ihre »Drei Wege zum See« nachzugehen, verirre mich aber meistens … (lacht) Ich habe Gert Jonke gut gekannt, habe mit Peter Turrini einmal am Stadttheater Texte von Christine Lavant gelesen und dann ist auch noch Julian Green in der Stadtpfarrkirche beerdigt. Von ihm habe ich einmal ein vollkommen verrücktes Stück in Frankfurt gespielt, Der Feind.  Er war ein genialer Autor und dass er hier begraben ist, ist für mich fast unglaublich. Abgesehen von allem ist das Theater so wunderschön! Genau der richtige Rahmen für das Stück, das Eleganz und Glamour braucht.

Sie waren mit der »Meisterklasse« schon einmal in Kärnten zu Gast, und zwar 1999 beim Carinthischen Sommer. Das Congress Center Villach war vielleicht ein nicht ganz so glamouröser Rahmen?

(lacht): Die großartige Gerda Fröhlich (Anm.: die damalige Intendantin) hat mich während ihrer Intendanz öfter zum Carinthischen Sommer eingeladen, auch mit Meisterklasse. Ich habe es in schöner Erinnerung.

Zur Person

Andrea Eckert. Geb. 1958 in Baden. Studium der Literaturstudium an der Sorbonne. Von 1978 bis 1981 Schauspielausbildung bei der legendären Dorothea Neff. Wichtigste Engagements waren u.a. am Schauspielhaus Wien, dem Frankfurter Schauspielhaus, dem Wiener Burgtheater, dem Theater in der Josefstadt und dem Volkstheater, wo sie fix engagiert war. 2015-2021 Intendantin der Raimundspiele Gutenstein. Zahlreiche TV-Rollen und Auszeichnungen (u.a. 2010 Romy, 2019 Raimund-Ring). Lebt in Wien.