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25. Januar 2021

Aron Stiehl: »Meine Glaskugel ist kaputt«

Die Uraufführung der Oper „Il canto s’attrista, perché?“ ist geprobt, muss aber zum zweiten Mal verschoben werden. Auch sonst scharrt das Stadttheater in den Startlöchern.
(Marianne Fischer/Kleine Zeitung)

Es war ein großes Herzensprojekt von Ex-Intendant Florian Scholz: die Uraufführung von Salvatore Sciarrinos Oper „Il canto s’attrista, perché?“. Der Italiener zählt immerhin zu den wichtigsten Komponisten weltweit. Die Generalprobe konnte letzten März noch über die Bühne gehen, dann kam der Lockdown. Nun scheint sich das zu wiederholen: Im Stadttheater Klagenfurt wird wieder geprobt, angesichts der Lockdown-Verlängerung kann die Uraufführung der Oper, für die Sciarrino den ersten Teil der „Orestie“ von Aischylos als Basis genommen hat, nun auch am 4. Februar nicht stattfinden. „Wir wollen das Stück unbedingt spielen. Die Aufführungen sind bis 6. März geplant, es wäre also möglich, wenn das Haus rechtzeitig öffnet“, hofft Intendant Aron Stiehl, dass man die Uraufführung doch noch über die Bühne bringt. Im Notfall könnte man die Produktion vielleicht auch im Radio bringen: „Wir sind dran, aber es ist noch nichts spruchreif“, so Stiehl.

Falls die Bühnen, wie derzeit von der Politik in Aussicht gestellt, mit März wieder öffnen dürfen, hat man aber natürlich nicht nur „Il canto“ im Köcher. Gespielt werden könnten in dieser Saison noch der ebenfalls fertig geprobte „Barbier“, Shakespeares „Was ihr wollt“, Schnitzlers „Reigen“ sowie der „Vogelhändler“. „Aber man darf uns nicht festnageln: Wir müssen wie die Politik auf Sicht fahren“, so Stiehl: „Meine Glaskugel ist kaputt. Jedenfalls proben wir derzeit. Wir machen Theaterarbeit auf Halde, aber irgendwann müssen wir wieder zeigen: Uns gibt es.“

Dass man im Stadttheater probt, während viele andere Theater derzeit den Betrieb praktisch ganz eingestellt haben, liegt auch daran, dass das Haus im Stagione-System geführt wird: Man bringt jedes Jahr eine begrenzte Anzahl an Produktionen heraus – im Gegensatz zum Repertoire-Betrieb, wo Produktionen über Jahre hinweg gespielt werden. Letzterer hat in Corona-Zeiten aber einen Vorteil: „Dort kann auf bestehende Produktionen sowie ein eigenes Ensemble zurückgegriffen werden. Unsere Herausforderungen sind daher aktuell noch einmal deutlich höher“, erzählt Matthias Walter.

Der neue kaufmännische Direktor des Stadttheaters hat im September seinen Dienst angetreten und wurde gleich auch zum Corona-Beauftragten des Hauses ernannt. Dabei hat man von Anfang an auf Hygiene und Abstand gebaut und weniger auf die Durchführung von Tests: „Wir persönlich sind der Ansicht, dass eine Art Freitesten auch einer gewissen Unvorsichtigkeit Vorschub leisten kann. Die Künstlerinnen und Künstler einer jeden neuen Produktion werden aber mit Probenbeginn auf Corona getestet“, so Walter, der zuletzt Direktor des Stiftungswesen der Diözese Regensburg war und davor als selbstständiger Unternehmensberater mit dem Schwerpunkt im kulturellen Bereich gearbeitet hat.

Finanziell habe sich das Haus, dessen rund 270 Mitarbeiter aktuell in Kurzarbeit sind, in den letzten Jahren dank größerer Rücklagen eine gute Ausgangslage erarbeitet. Wesentlich für die nächsten Jahre wird sein, ob die Abonnenten dem Stadttheater die Treue halten: „Wir können unser Publikum nur aufrichtig dazu ermutigen, dem Haus auch nach Corona treu zu bleiben, vielleicht damit sogar ein klares Zeichen pro Kultur zu setzen“, so Walter.

Kultur bietet man derzeit vor allem mit der Online-Reihe „Loge 10“, in der Menschen, die dem Theater eng verbunden sind, ihre Gedanken, Ideen, Texte oder Musik teilen. Auf Live-Streaming verzichtet man aber: „Nicht nur, dass die technischen Möglichkeiten des Stadttheaters gegenüber den großen Häusern wie zum Beispiel der Wiener Staatsoper deutlich reduziert sind, müssen wir aktuell das Ausmaß der Kurzarbeit maximal ausschöpfen. Jede zusätzliche Tätigkeit gilt es daher gegen die Kurzarbeit abzuwägen, um die Einnahmenverluste bestmöglich abfedern zu können“, so Matthias Walter. Und Aron Stiehl ergänzt: „Wir wollen live spielen. Was Theater ausmacht, ist die Energie zwischen Publikum und Bühne.“