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3. April 2023

Die DNA der Komödie

Michael Frayn schuf mit Der nackte Wahnsinn eine der schönsten Liebeserklärungen an das Theater, die kein Klischee ausspart und das Publikum auf höchst vergnügliche Weise die Perspektive wechseln lässt: Der/die Zuschauer*in erlebt, was sich während einer Vorstellung hinter der Bühne im Ensemble abspielt. Dominic Oley, seines Zeichens Schauspieler, Musiker, Regisseur und Dramatiker, inszeniert den Riesenspaß, der von Regie und Ensemble große Präzision und Timing abverlangt. Premiere ist am 13. April 2023.

Im zweiten Akt wird das Publikum während einer Vorstellung zugleich Zeuge von Beziehungsdramen auf der Hinterbühne, eine Requisiten-Axt wird geschwungen, eine Whiskeyflasche macht die Runde und vieles mehr. Wie hast du dich mit dem Ensemble dieser komödiantischen Herausforderung, die größtenteils nonverbal gespielt wird, gestellt?
Mit einem musikalisch und spielerisch so talentierten Ensemble wie diesem, wurde diese Herausforderung zur erfreulichen und energetischen Aufgabe. Gemeinsam im Team, füreinander und miteinander, spielen und fantasieren wir. Wir musizieren gemeinsam mit Sprache, Haltungen und Körper.

Autor Michael Frayns Liebeserklärung an das Theater kommt sehr authentisch daher, liebevoll spielt er mit Klischees und Witzen über das Theaterleben. Gab es einige Déja-vus für dich?
Ja, sehr viele sogar. Alle Ereignisse sind sehr gut beobachtet und viele auch sehr wahr. Es entstehen sozialdynamische Prozesse und Verhaltensweisen von Schauspieler*innen und Regiesseur*innen, die man aus der eigenen Erfahrungswelt kennt. Über einige kann man herzlich lachen, aber auch den Kopf schütteln und sich fürchten.

Klemmende Türen im Bühnenbild, verknotete Schnürsenkel, vertauschte Requisiten und Pannen beim Auftritt – was macht für dich den Reiz dieser Komödie aus, die das Scheitern und die Improvisation sichtlich feiert?
Das Stück feiert für mich vielmehr den immer wiederkehrenden Versuch, das Scheitern zu überwinden, auch wenn es von außen haarsträubend anmuten mag. Das ist für mich die DNA der Komödie. Der Glaube an das Gelingen, das Überwinden von Widerstand. Die Komödie ist der Glaube und die Hoffnung auf ein gutes Leben in diesem Leben. Das Drama feiert in fatalistischer Weise das Scheitern, gibt Aussicht auf die Absolution im Jenseits. Die Komödie kämpft für ein besseres Leben in der Gegenwart. Das Stück feiert für mich auch nicht unbedingt die Improvisation per se, auch wenn der zweite Akt quasi eine große Improvisation darstellt. Dazu scheitert die »Improvisation« im Stück zu oft. Alles ist genau notiert und verzeiht keine Abweichung von der Partitur. Es ist das fast neurotische Gegenteil einer Improvisation. Es ist der manische und gleichzeitig sehr verspielte Versuch, dem Wahnsinn einer Theateraufführung und dessen Herstellung im Wesen und auch sinnlich habhaft zu werden. Dabei wird für das Publikum verständlich, wie sehr auch die Theatermachenden selbst, also Regie und die Darsteller*innen, dieser Situation ausgeliefert sind.

Was war bisher dein persönlicher »Nackter Wahnsinn«, der sich auf oder hinter der Bühne ereignet hat?
Das war sicherlich der fast vierfache Versuch in der Corona-Pandemie ein Stück zur Premiere zu bringen. Und die Einsicht, dass das tatsächlich die persönliche Berufswahl gewesen ist: das Leben mit, auf, unter, neben, vor und für die Bühne! Eine erschreckende aber doch sehr unterhaltsame Erkenntnis – besonders für Zuschauende.

Du hast in deiner Fassung des Stückes den Regisseur (Lloyd/Lydia) und den Inspizienten (Tim/Tina) weiblich besetzt. Welche Idee steckt dahinter und wie wirkt sich das auf die Handlung aus?
Die Idee dahinter war zunächst eine Besetzungsmechanik, die im Nachhinein zur Idee, zum Konzept geworden ist. Der Schauspieler, der zuerst den Regisseur spielen hätte sollen, konnte dann nicht mehr. Nun hat die wunderbare Kollegin Elisa Seydel die Rolle übernommen. Das bringt einen frischen Wind in die Situation, weil es den Fokus etwas weg von dem Mann als »Regie-Zampano« nimmt. Es geht jetzt vielmehr um Begehren, Vision und den verzweifelten Versuch, ein nicht wirklich gutes Stück (das Stück im Stück) endlich zur sehr baldigen Premiere zu bringen.

Der nackte Wahnsinn
Komödie von Michael Frayn / Deutsch von Ursula Lyn
Premiere 13. April 2023
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