Porträt.Mit der Premiere von Tristan und Isolde stellt sich am 18. September der neue Chefdirigent Chin-Chao Lin dem Stadttheater-Publikum vor.
(Marianne Fischer / Kleine Zeitung; Foto: Weichselbraun, Kleine Zeitung)
Kennengelernt haben sie sich schon im Jahr 2008: »Ich wurde vom Stadttheater Klagenfurt angefragt, ob ich als Korrepetitor aushelfen könnte. Damals wurde gerade für Schlafes Bruder geprobt. Als ich das Haus betrat, kam mir ein Mann mit Hund entgegen«, erinnert sich Chin-Chao Lin an die erste Begegnung mit Aron Stiehl. Jahre später – der junge Taiwanese war zu dem Zeitpunkt gerade frischgebackener Chefdirigent am Theater Regensburg – hatte er ein Déjà-vu: »Auch da kam mir gleich in den ersten Tagen im Theater wieder ein Mann mit Hund entgegen und ich dachte: Den kenne ich doch. Also habe ich ihn gegoogelt.« Aron Stiehl war der Regisseur der ersten Produktion, die Chin-Chao Lin damals an seinem neuen Haus geleitet hat: »Nun hat sich der Kreis wieder geschlossen.«
Kündigung vor Dienstantritt
Als sich abzeichnete, dass Chefdirigent Nicholas Milton das Stadttheater verlassen würde, lud Stiehl den talentierten Taiwanesen zu einem Vordirigat ein und vertraute ihm das Neujahrskonzert an. »Praktisch zeitgleich habe ich in Wiesbaden vordirigiert, dort habe ich sehr schnell einen Vertrag bekommen. Als die Zusage aus Klagenfurt kam, habe ich in Wiesbaden gekündigt, bevor ich überhaupt angefangen habe«, erzählt er lachend: »Ich fand es stimmig, an den Ort zurückzukehren, wo ich einst als Korrepetitor meine ersten Erfahrungen gesammelt habe.«
Außerdem wollte der 38-Jährige gerne zurück nach Österreich, wohin er schon im Alter von 16 Jahren gekommen war: »Ich habe in Taiwan mit Geige und Klavier angefangen. Aber Musik wollte ich dann in einem Land studieren, das stark von der klassischen Musik geprägt ist.« Seine Klavierlehrerin kam damals gerade von einem Aufenthalt in Graz zurück – und so fiel die Wahl auf die steirische Landeshauptstadt. Nach einem Vorbereitungsjahr, in dem er auch Deutsch lernte, machte er an der Musikuniversität die Aufnahmeprüfung – allerdings zur Überraschung der Eltern nicht für Geige, sondern für Dirigieren: »Ich wollte immer schon meine eigenen Ideen verfolgen und mit der Musik Geschichten erzählen.«
Eine gute Wahl, wie sich bereits während seines Studiums zeigte: 2011 gewann er den zweiten Preis beim Nationalen Sinfonieorchester-Wettbewerb in Taiwan und den dritten Preis beim Internationalen Witold-Lutosławski-Wettbewerb in Polen. Nach dem Studium kehrte er für den Militärdienst nach Taiwan zurück, wo er Horn bei der Militärmusik spielte, danach verschlug es ihn nach Deutschland: Von 2016 bis 2018 war er Kapellmeister und stellvertretender Generalmusikdirektor am Staatstheater Meiningen und von 2018 bis 2022 Generalmusikdirektor am Theater Regensburg. Dass er nach einem Jahr am Staatstheater Wiesbaden – übrigens der Heimatstadt von Aron Stiehl – nach Klagenfurt wechselte, hat dem Intendanten ein paar erboste Anrufe eingebracht, wie Stiehl gerne erzählt: »Man hätte ihn dort sehr gerne am Haus behalten. Denn er ist nicht nur begabt, er hat auch eine tolle Bühnenpräsenz.«
Vorstellung der »Klangwege«
Bewiesen hat das Chin-Chao Lin schon bei seiner ersten Matinee zur Wagner-Oper Tristan und Isolde, wo er sich erstmals als neuer Chefdirigent vorstellte. Das erste Konzert mit dem Kärntner Sinfonieorchester will er nutzen, um seine bisherigen »Klangwege« (so das Motto) nachzuzeichnen: Unter anderem bringt er am 9. Oktober mit Tyzen Hsiaos The Angel from Formosa eine kurze Dichtung aus seiner Heimat mit. Beethovens 2. Sinfonie war das Stück, mit dem er die Aufnahmeprüfung für das Dirigier-Studium bestand und mit Mahlers 4. Sinfonie würdigt er seine »neue Heimat« Kärnten, entstanden doch Teile davon am Wörthersee. »Ich zeige, woher ich komme und dass ich hier angekommen bin«, sagt Chin-Chao Lin, der seit Anfang Juli in einer Wohnung »mitten in Klagenfurt« lebt.
Und im Haus freudig empfangen wurde: »Mein Vermieter hat eine Willkommensparty organisiert, bei der ich die anderen Mieter kennenlernen konnte. Das war eine schöne Überraschung.« Und beim Einrichten der Wohnung hat er gleich auch neue Talente entdeckt, wie er lachend erzählt: »Ich baue leidenschaftlich gerne Möbel zusammen und streiche Wände.«