Sie waren Teil der Wiener Festwochen. Als Bühnenmusiker waren sie bereits in mehreren Theaterstücken am Wiener Burgtheater zu erleben. Und in der österreichischen Musikszene sind sie mit ihrer Musik, die sich – wenn überhaupt – irgendwo zwischen Klassik, Jazz und Ethnomusik einordnen lässt, schon lange keine Unbekannten mehr: Alexander und Konstantin Wladigeroff, auch bekannt als die Wladigeroff Brothers. Von ihrem künstlerischen Werdegang abgesehen, sind sie vor allem auch eines: charismatische Vollblutmusiker, die Lebensfreude PUR versprühen. Hier bei uns in Klagenfurt dürfen wir sie als Bühnenmusiker unserer Schauspielproduktion Figaro lässt sich scheiden begrüßen. Bei einem Kaffee in der Theaterkantine verraten sie, dass das ihr erstes Stück mit komplett eigener Musik wird. Man darf gespannt sein…
Figaro lässt sich scheiden ist ja ein Schauspiel. Wie kann man sich da erklären, dass ihr als Musiker mit dabei seid?
Alexander: Wir sind als Komponisten, gleichzeitig aber auch als Interpreten eingeladen worden. Martina Gredler, die Regisseurin, ist mit ganz konkreten Vorstellungen und theatralischen Motiven aus drei Opern an uns herangetreten. Es war ihr ausdrücklicher Wunsch, dass wir uns davon inspirieren lassen, Zitate hernehmen und sie zu etwas Neuem umwandeln. Das haben wir auch gemacht, auf unsere »Wladigeroff-Brothers«-Art. Aber wir haben auch unsere eigene Musik dazugeschrieben.
Konstantin: Es ist spannend zu sehen, wie Horváth die vier Hauptfiguren aus der Oper nimmt und sie in sein Schauspiel Figaro lässt sich scheiden hineinsetzt. Genauso eine Kreation machen wir jetzt musikalisch: Wir nehmen die leuchtenden Arien aus der Oper und machen sie durch unsere musikalische Stilistik neu und ganz anderes sichtbar. Wir denken den ganzen alten Stoff quasi neu und setzen neue Rhythmik und musikalisch-stilistische Elemente drauf. Unsere Zuschauer haben dann ein ganz besonderes Erlebnis: Sie sind noch mitten in der Oper drinnen, hören aber einen vollkommen neuen Rhythmus. Wir arbeiten dabei rein instrumental, um eine Atmosphäre zu schaffen, die den Zuschauern hilft, das Stück leichter zu verstehen.
Wie darf man sich das vorstellen?
Alexander: Zu Beginn des Stückes geht es darum, dass Figaro, Susanne, der Graf und die Gräfin auf der Flucht sind, das wird von uns musikalisch mit entsprechender »Fluchtmusik« begleitet. Dann gibt es einen sehr »ungeraden« Rhythmus, der jüdischer oder balkanischer Folklore sehr nahe kommt. Und dann zaubert die Musik plötzlich eine sehr bedrohliche Stimmung herbei, obwohl das Stück ja eigentlich eine Komödie ist. Klar, es könnte auch ein ganzes Orchester zum Einsatz kommen. Aber wir versuchen, alleine mit Klavier und Trompete, teilweise auch mit etwas Percussion, diese Oper zu zitieren und unsere musikalische Welt zu präsentieren. Und da ist alles Mögliche dabei: Jazziges, Melodiöses und natürlich viel Eigenes.
Woher kommt diese Begeisterung mit Neuem zu spielen?
Alexander: Das hat mit unserer Familiengeschichte zu tun. Wir wurden in eine bulgarische Künstlerfamilie hineingeboren, unsere Mutter war Schauspielerin. Die Liebe zum Theater und unsere allerersten musikalischen Bühnenerfahrungen verdanken wir ihr.
Konstantin: … Und auf der Vaterseite haben wir die ganzen Musiker. Unser Großvater Pantscho Wladigeroff war ja einer der bekanntesten bulgarischen Komponisten seiner Zeit. Mit diesem »Erbe« kann man eigentlich fast gar nichts anderes mehr machen, als selbst Künstler zu werden. Musik und Theater sind einfach unser Leben!
Was genau ist es, das Euch beide »ausmacht«?
Konstantin: Alexander hat einen ausgesprochen ausgeprägten Sinn für Humor. Ich liebe es, immer wieder zu sehen, worüber er lachen kann. Und dann natürlich seine Situationskomik und seine einzigartig positive Lebenseinstellung.
Alexander: Eigentlich sind wir ganz normale Menschen (lacht), aber sobald wir zu unseren Instrumenten greifen, verändern wir alle Menschen um uns herum, um das macht das ganze Leben so viel glücklicher und schöner.
Und Konstantin?
Alexander: Der hat genauso seine lustige Seite, aber er ist ein wenig introvertierter. Er hält sich immer ein wenig zurück, wartet ein bisschen, und wenn dann »der Weg frei ist«, ist er genauso wie ich, dann »explodiert« er. Wir haben einfach dieselbe Art von Humor. Ich kann mir gar nicht vorstellen was aus uns geworden wäre, wenn wir nicht Musiker geworden wären – Schauspieler vielleicht? Ich weiß es nicht…
War es für Euch immer klar, dass Ihr als Brüderpaar zusammenarbeiten wollt?
Alexander: Ja!
Konstantin: Wir haben einfach eine unglaublich starke Beziehung zueinander und betrachten es als großes Geschenk, dass wir miteinander spielen dürfen. Dass man privat gut miteinander auskommt, ist das eine, zusammen zu arbeiten, noch einmal etwas anderes, das schafft nicht jeder. Wir hatten eigentlich nie das Gefühl, dass wir uns gegenseitig im Weg stehen und deshalb auseinander gehen müssen.
Wie würde eine Welt ohne Musik aussehen?
Konstantin: Ich habe irgendwo einmal gelesen, dass Musik die Sprache der Götter ist. Und das stimmt! Man kann mit Musik einfach so viel ausdrücken, Gefühle, die aus innerster Seele kommen. Musik hat die Menschheit von Anbeginn der Zeit an bewegt und sie tut es heute noch. Für mich ist ein Leben ohne Musik kaum vorstellbar.
Alexander: Stell Dir nur einmal eine Hochzeit ohne Musik vor – das funktioniert einfach nicht! Überall, wo Emotionen im Spiel sind, braucht es ganz automatisch auch Musik, um sie auszudrücken. Wir haben das in den letzten Monaten auch ganz stark in Wien beobachtet: Wenn ein paar Wochen lang keine Konzerte, Theatervorstellungen etc. stattfinden, kippen die Leute ganz schnell in eine Depression hinein. Man sieht viel mehr traurige Gesichter auf der Straße – wir als Musiker spüren das sofort. Ja sicher, man kann eine Zeit lang ohne Musik auskommen, aber es ist einfach unendlich viel trauriger…
Gibt es irgendetwas im Leben, das man nur mit Musik ausdrücken kann?
Konstantin: (lacht) Ja, Liebe! Ich z.B. tue mir viel leichter, Liebe durch Musik als durch gesprochene Worte auszudrücken. Um das zu verstehen, muss man selbst auch kein Musiker sein.
Alexander: Ich glaube, alle Arten von Emotionen, von Trauer bis hin zu unendlicher Freude. Musik kann so vieles, sie kann Retter und Heiler zugleich sein.
Was an Deinem Bruder bewunderst Du am meisten Alexander?
Alexander: Seine Art mit Musik umzugehen. Er ist unglaublich achtsam und wertschätzend, behandelt Musik wie ein kostbares Geschenk. Mein Umgang mit Musik ist ein anderer, vielleicht könnte man sagen: ein wenig spielerischer, experimenteller. Oft denke ich zwei, drei Tage nur über etwas nach und beobachte, ob in meinem Kopf etwas Größeres daraus wird. Konstantin ist da ernsthafter, überlegter in seiner Arbeit.
Und was ist eine besonders bemerkenswerte Eigenschaft an Alexander?
Konstantin: Die unglaubliche Energie, die er an den Tag legt! Wie macht er das nur, frage ich mich oft. Wenn ich schon eine Pause brauche, hat er noch immer unglaublich viel Energie und Spaß an allem was er macht, beneidenswert!
Alexander und Konstantin Wladigeroff wurden 1978 in Sofia, Bulgarien, als eineiige Zwillinge in eine Künstlerfamilie hineingeboren. Ihre Mutter war Schauspielerin, ihr Vater Musiker, ihr Großvater Pantscho Wladigeroff (1899-1978) einer der bekanntesten Komponisten Bulgariens. Mittlerweile leben die beiden seit fast zwanzig Jahren in Wien, haben dort an der Universität für Musik und darstellende Kunst sowie am Konservatorium der Stadt Wien auch eine professionelle musikalische Ausbildung absolviert. Rasch konnten sie sich als gefragte Jazzmusiker in der Wiener Szene etablieren. Als Bühnenmusiker waren sie bereits in mehreren Theaterstücken am Wiener Burgtheater zu erleben. Alexander spielt die Trompete und das Flügelhorn, Konstantin das Klavier und Klarinette. Ihre Musik lässt sich nicht klar einordnen, sie greift Elemente der Klassik, des Jazz, der Weltmusik und bulgarischer Folklore auf.
Hier ein kleiner musikalischer Vorgeschmack:
Voller Kanton, Musik: Wladigeroff Brothers, Video: Patrick Schabus