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23. April 2019

Georg Friedrich Haas über „KOMA“

Georg Friedrich Haas gehört zu den renommiertesten Komponisten der Gegenwart, sein vielseitiges Werk wird weltweit aufgeführt. Mit dem Gert-Jonke-Preisträger Händl Klaus erarbeitete er die aus drei Opern bestehende Schwetzinger Trilogie, deren Abschluss KOMA bildet. Für diese Produktion bearbeitete Haas das Werk, dessen definitive Fassung nun am Stadttheater Klagenfurt gezeigt wird. Der Komponist im Interview.

Georg Friedrich Haas studierte in seiner Geburtsstadt Graz bei Gösta Neuwirth und Ivan Eröd sowie in Wien bei Friedrich Cerha. Dunkelheit, Nacht und der Verlust von Illusionen sind zentrale Aspekte seines Oeuvres. Haas ist international als hochsensibler und einfallsreicher Forscher der inneren Klangwelt bekannt und respektiert. Er ist u.a. Träger des Kompositionspreises des SWR Sinfonieorchesters 2010, des Musikpreises der Stadt Wien 2012 und des Musikpreises Salzburg 2013.

Koma – ein medizinisches Phänomen als Ausgangspunkt einer Opernhandlung ist wahrscheinlich einzigartig in der Musikgeschichte. Was hat Sie zu diesem Thema gebracht?

Haas: Das Thema wurde mir von Händl Klaus vorgeschlagen – und ich war begeistert. Ich verstehe „Koma” nicht als ein medizinisches Thema, sondern als ein menschliches: Alles wahrnehmen und empfinden zu müssen (auch den Schmerz) und keinerlei Möglichkeit zu haben, darauf zu reagieren – das ist die Hölle. Im übertragenen Sinne ist „Koma” auch eine Beschreibung meines persönlichen Gefühlszustandes angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen z.B. in Österreich: Ich nehme alles wahr, was geschieht und wo es hinführen wird. Aber ich habe keine Möglichkeit, darauf adäquat zu reagieren.

Wie nähern Sie sich dem Thema in Ihrem Werk musikalisch an?

Haas: Meiner Meinung nach ist Oper immer ein Theater der Gefühle. Wenn Menschen, die der im Koma liegenden Michaela nahe sind, ihr Schlüsselszenen ihres Lebens in Erinnerung zu rufen versuchen, überträgt die Musik (hoffentlich….) die Emotionen der Beteiligten. Michaela singt im Dunkeln. Unsichtbar. Hinter dem oder im Publikum. Sie singt keine Worte, sondern nur abstrakte Vokale. Das Kammerorchester spielt dazu ebenfalls in völliger Dunkelheit – auswendig und ohne den Dirigenten zu sehen. Dazwischen liegt die Grauzone des Spitals. Wenig Licht, keine Klänge im Orchester.

Die erste Fassung von KOMA wurde 2016 in Schwetzingen uraufgeführt, für die Aufführung in Klagenfurt haben Sie eine neue Fassung geschaffen. Wie hat sich das Werk dabei entwickelt?

Haas: Ich bin zu meiner ursprünglichen Idee zurückgekehrt: Ich wollte die beiden Ärztinnen und die drei Pfleger durch jeweils sehr tiefe Alt- bzw. Bassstimmen singen lassen. Aus organisatorischen Gründen habe ich dann diese Idee für Schwetzingen variiert und (wie auch schon früher in meiner Oper Bluthaus ) Schauspielerinnen und Schauspieler in die Musik integriert. Ich bin sehr froh, dass Florian Scholz die Mühe auf sich genommen hat, diese doch sehr ungewöhnliche Stimmenbesetzung zu realisieren.

Die teilweise vollkommene Dunkelheit in KOMA stellt eine besondere Situation für Künstler und Publikum dar, warum haben Sie sich dafür entschieden?

Haas: Musizieren in Dunkelheit stellt besondere Herausforderungen an die Interpretierenden. Sie können nur durch Klang miteinander kommunizieren, sie sehen den Notentext nicht, der angegeben hat, welche Musik erklingen soll. Sie sind nur sich selbst verantwortlich wenn sie spielen, kein Dirigat kann sie leiten. In der Oper setzt der Wechsel von Finsternis und traditioneller Bühnenbeleuchtung dramatische Akzente. Erfahrungsgemäß wird es ein starkes Erlebnis sein, in völliger Dunkelheit zu sitzen und von Klängen umwoben zu werden. Dieses Erlebnis ist nur möglich, wenn man sich live in der Aufführung befindet. Kein Radio, kein Video, keine CD kann es wiedergeben.

Fotos: Théâtre des Champs-Élysées Paris / Vincent Pontet