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12. August 2022

Kurioses aus der Requisite

Sie gehören zu jeder Produktion wie das unvermeidliche »Amen« im Gebet, und doch werden sie nur allzu oft stiefmütterlich behandelt, frei nach dem Motto »Hauptsache, sie fehlen nicht«: die Requisiten. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass es sich lohnt, ja, sogar überraschend unterhaltsam sein kann, sich den Arbeitsbereich unserer Theaterrequisiteure einmal genauer anzusehen…

Ein Gespräch mit Thomas Stingl, dem Leiter unsere Ausstattungs-Abteilung.

Als Theaterbesucher stellt man sich die Arbeit eine Requisiteurs unglaublich spannend vor: Da fließen Unmengen Kunstblut, werden Schwerter und Dolche für ihren Kampfeinsatz auf der Bühne geschärft und Bühnenfeuerwerke vorbereitet. Wie sieht die Realität aus?
Thomas Stingl:
(lacht) Natürlich nicht ganz so aufregend… Die Hauptarbeit eines Requisiteurs hat viel mit Alltäglichem zu tun, der Vorbereitung von Essen, Getränken, Blumen und diversen kleinen Deko-Teilen. Aber natürlich gibt’s dann auch immer wieder spannende neue Aufgaben, wo es schon etwas mehr Gehirnschmalz braucht, um zu einer Lösung zu finden.

Was war das schrägste Ding, das ihr je gebaut habt?
Hhmmm… da gab es über die Jahre so einiges. Was mir in Erinnerung geblieben ist, ist auf jeden Fall die »Kuriositätensammlung« aus der Produktion Der junge Lord. Da waren wir damit gefordert, Tierköpfe, Schlangen und eingelegte Embryos nachzubauen – das war ziemlich skurril! Und bei der Dreigroschenoper war eine »Giftspritze« auf der Bühne im Einsatz, aus der floureszierendes »Gift« geflossen ist. Oder der große Fleischwolf von Sweeney Todd: oben kamen »Leichenteile« rein, unten dann das geschnetzelte Fleisch und jede Menge Blut raus – sowas vergisst man nicht so schnell!

Und was hat Euch technisch ganz besonders herausgefordert?
Die geflutete Bühne bei Tannhäuser zum Beispiel – alles musste dem Wasser standhalten. Oder auch die ganzen toten Tiere bei Der Alpenkönig und Menschenfeind, das ist schon ein paar Jahre her. Die waren unglaublich aufwändig, da waren gleich mehrere Abteilungen mit der Herstellung beschäftigt: Die Holzköpfe wurden im Malersaal geschnitzt, die Maskenabteilung und die Requisite haben sie beflockt und unsere Tapezierer die Felle zusammengenäht. Jahre später gab es dann mit einer dieser Gämsen bei der Walküre ein Wiedersehen auf der Bühne!

Gibt es »Acts« auf der Bühne, die komplett simpel wirken, aber sehr aufwändig in der Umsetzung sind?
Sicher! Wenn es Rosenblätter vom »Himmel« regnet z.B., die müssen nämlich einzeln oder in kleinen Mengen wirklich vom Schnürboden ganz oben per Hand ausgestreut werden. Oder Spezialeffekte wie der Feuerring, den wir bei der Walküre hatten: das war eine große Gas-Schiene, die extra für uns angefertigt werden musste. Und dann kam erst die Spielerei: wie damit umgehen, dass man wirklich einen schönen, regelmäßigen Feuerring bekommt?

Thomas Stingl, Leiter der Ausstattungs-Abteilung, mit vorbereiteten Requisiten für »Le nozze di Figaro«.

Kannst Du Dich an eine Situation erinnern, wo ihr gesagt habt: »Sorry, das geht gar nicht!«?
Naja, ich denke, die meisten Ideen lassen sich irgendwie umsetzen, auch wenn die Lösung letztendlich eine andere ist als die, die der Bühnenbildner ursprünglich im Kopf hatte. Aber natürlich gibt es auch »No-Gos«. Einmal wollte ein Regisseur, dass wir Einschüsse in einem Darsteller mit Explosions- und Blutkapseln wie echt aussehen lassen. Das wäre nicht nur schwer machbar, sondern auch sehr kostenaufwändig gewesen. Wir haben dann stattdessen mit einem Blutbeutel unter dem Kostüm gearbeitet, das ging genauso, war aber viel günstiger.

Eine Frage, die sicher viele brennend interessiert: Könnte es auch bei uns im Theater passieren, dass eine Darstellerin/ein Darsteller auf der Bühne mit einer »scharfen« Waffe erschossen wird?
Ich kann alle beruhigen, das passiert bei uns sicher nie! Alle Waffen, die wir hier im Theater haben, sind so umgebaut, dass keine Schüsse damit abgefeuert werden können. Wenn bei uns Schüsse fallen, dann ist das ein rein pyrotechnischer Effekt, also quasi ein Mini-Feuerwerk, der Darsteller/die Darstellerin hat eine Attrappe in der Hand und der hörbare Schuss kommt aus dem Off.

Und wie ist es mit Messern?
Die sind natürlich nicht mehr scharf und spitz, alles andere wäre viel zu gefährlich. Dennoch müssen Bühnenkämpfe richtig mit einer Choreografie erarbeitet werden, damit der Umgang mit der Waffe geübt wird und die Kampfszene vor allem auch echt aussieht.

Gibt es bei mehreren Dutzend Requisiten, die bei einer Vorstellung im Einsatz sind, eine Checkliste, damit alles zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist?
Natürlich gibt es die, anders könnte man gar nicht arbeiten. Das ist auch ein Grund, warum immer ein Bühnenbildassistent bei den Proben dabei ist. Erst im Probenprozess stellt sich heraus, was tatsächlich alles an Requisiten gebraucht wird. Und diese Liste wird dann laufend erweitert und aktualisiert.

Was ist, wenn eine Requisite auf der Bühne einmal nicht dort liegt, wo sie liegen sollte? Kommt das vor?
Das wäre ungut… Denn Schauspieler verbinden Wege mit Text. Und deshalb muss auch jedes Requisit immer am selben Platz sein. Wenn das nicht so ist, kann es gut sein, dass es den Darsteller/die Darstellerin komplett aus dem Konzept bringt. Darum arbeiten wir auch so akribisch mit Listen und checken doppelt, ob auch wirklich alles dort ist, wo es sein soll.

Was muss ein guter Requisiteur so „drauf haben“? Welche Fähigkeiten braucht es, wenn man als Requisiteur arbeiten möchte?
Ganz oben auf der Anforderungsliste steht sicher Spaß an der Abwechslung, bei uns ist kein Tag wie der andere! Wichtig sind natürlich auch handwerkliches Geschick, Kreativität, Organisationstalent und soziale Fähigkeiten – man darf ja nicht vergessen, dass die Arbeit eines Requisiteurs auch eng mit der Arbeit der Schauspieler*innen und Sänger*innen verbunden ist. Und da ist es auf jeden Fall von Vorteil, wenn man ein offener Mensch ist, der freundlich auf andere zugeht.