Sebastian Schug inszeniert Josef Winklers „Lass dich heimgeigen, Vater …“ am Tonhof. Ein Gespräch über Schönheit, Grauen und österreichisches Sprachgefühl.
Von Karin Waldner-Petutschnig
Wie haben Sie sich dem Text von Josef Winkler angenähert, der ja mehr Litanei als Stück ist?
SEBASTIAN SCHUG: Mit Wut (lacht)! Beim Reinschnuppern in den Text habe ich geschaut, ob da irgendwann einmal etwas kommt, was Theater ist. Das war so eine Kampfnacht, ich war wie mit einer Machete durch den Dschungel unterwegs.
Kennen Sie Josef Winkler persönlich?
Florian Scholz, die Dramaturgin Syilvia Brandl und ich waren mit ihm Mittagessen, das war ganz zauberhaft. Er erzählte mir was von einem Disney-Filmchen, in dem die Skelette tanzen und auf den Rippen Samba spielen. Da ist mir klar geworden, was ich als Piefke, der Palmetshofer gemacht hat, wissen müsste: Man denkt immer, um Himmels Willen, wie furchtbar und wie schrecklich! Aber es ist ja schlimm und lustig gleichzeitig, es gibt so einen eigenen Humor hier. Das Verrückte, das Absurde, das interessiert mich.
Sie haben eine eigene Textfassung erstellt. Worauf haben Sie dabei geachtet?
Ich hab das sehr intuitiv gemacht. Die Figur der Njetotschka, einer ukrainischen Zwangsarbeiterin, über die Winkler schon früher ein eigenes Buch geschrieben hat, ist mir wichtig. Die haben sie im Burgtheater unterschlagen. Das ist die einzige Stelle, wo Winkler von sich selbst absieht, von sich weggeht, indem er von ihr erzählt. Ich finde es toll, dass sie eine Stimme bekommt.
Sie inszenieren hier am geschichtsträchtigen Tonhof, Treffpunkt der Avantgarde in den 1960er-Jahren. Wie stark wirkt das Lokalkolorit auf Sie?
Ich halte den Ort und seine Magie für unpackbar wichtig, das war eine fantastische Idee des Theaters! Wir spielen in einem Heuschober, und auch bei Winkler geht es um Heuschober, um einen Trambalken, an dem sich zwei Jugendliche aufgehängt haben. Da sitzt man dann unter so einem Balken und schaut hinauf. Wir wühlen uns drinnen durch den Dreck und kommen dann raus und es ist so wahnsinnig schön hier, dass ich verstehen kann, wenn man es ruhen lassen will, nicht umgraben …
Was wird sich denn auf der Bühne abspielen?
Für mich ist es etwas ganz Zauberhaftes, Menschen live beim Denken zuzuschauen. Es geht wirklich um eine Ver-Körperung, darum, einen Text durch sich durchgehen zu lassen. Winklers Text auf der Bühne halte ich für aufregender, als wenn man ihn liest. Das ist auch was sehr Österreichisches: das unglaubliche Sprachgefühl, der Sinn für Rhythmus. Ihr Österreicher sitzt ganz anders in eurer Sprache drin als Deutsche. Ihr seid nicht so entkernt durch dieses geschliffene Hochdeutsch, da ist eine andere Formulierungslust, eine andere Musikalität drin.
Apropos: Wird Musik eingesetzt?
Ein paar ausgewählte Stücke gibt es. Natürlich der Verweis auf das unvermeidliche Tanzcafé Lerch, aber auch Einblicke in die Welt von Josef Winkler, exotische Einflüsse wie Indien und Mexico.
Ihre Anfangs-Wut scheint verflogen zu sein. Sie haben sich mit Ihrer Machete durchgekämpft?
Beim ersten Lesen dachte ich: Warum bohrst du dich so rein, Winkler, jetzt komm doch mal zum Punkt! Aber das ist ja das Thema. Der Text ist nicht nur eine Anklageschrift, es geht um das Hinein-verwickelt-Sein, das Nicht-Rauskommen. Das Menschliche, das Poetische am Nicht-Rauskommen, das finde ich schmerzhaft, nervig und interessant.