Der Gott des Gemetzels
Schauspiel von Yasmina Reza / Aus dem Französischen von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel
Podcast Einführung
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Pressestimmen
Boshaft, geistreich und witzig lässt Yasmina Reza im gutbürgerlichen Wohnzimmer Anstand und Manieren zerbröseln wie das Clafoutis der Gastgeber. Dass die Süßspeise mit Äpfeln und (!) Birnen gebacken wurde, kann man als Hinweis darauf sehen, was in kurzweiligen 90 Minuten von vier Erwachsenen an Haar sträubenden Vergleichen herangezogen wird. Am Ende ist mit der Stimmung nicht nur die Couch und eine Flasche Rum gekippt; der Einzige, der das Chaos nicht komplett derangiert übersteht, ist der Kokoschka-Katalog – obwohl Annette Reille auf ihn gespieben hat. Regisseur Michael Sturminger vertraut der gnadenlos guten Mechanik, mit der im „Gott des Gemetzels“ Problembewusstsein zur pädagogisch wertvollen Dringlichkeit hochgeschraubt wird und sodann zur hilflosen Übung verkümmert, in der nach und nach alle aus der Fassung geraten. […] Mit sagenhafter Leichtigkeit turnen die vier Schauspieler durch die saftigen Dialoge, die aufgrund ihrer Lebensnähe einen hohen Wiedererkennungswert haben. Wie ein Wort das nächste ergibt, sich auf der Bühne die Allianzen zwischen Frauen, Männern und Paaren immer wieder verschieben, ließ das Premierenpublikum oft richtiggehend glucksen. […] Andreas Patton spielt den praktisch veranlagten Großhändler Michel Houillé, der den Hamster in die Freiheit der Rinnsteine entlässt, mit einer Komik, die Verzweiflung wie Ironie zulässt. Sabine Haupt versucht als Michels Frau Véronique mit „Binsenweisheiten“ die Situation zu retten, während Roman Blumenschein als Anwalt Alain Reille das Treffen für übrig hält und dauertelefoniert, bis seine Frau Annette (Franziska Hackl in famoser hysterischer Steilvorlage) das Handy in der Blumenvase versenkt. Im Quartett überzeugt die Kunst, Pointen wie Seifenblasen loszuschicken, um sie ansatzlos in fliegende Messer zu verwandeln. Den nüchternen Raum dazu haben Renate Martin und Andreas Donhauser gebaut. Viel Applaus für diesen spritzigen Abend […].
„Der Gott des Gemetzels“: Schaukampf in einem Vivarium
[…] Zwei ausgeschlagene Zähne, ein im Straßengraben dem sicheren Tod überlassener Hamster, ein angekotzter Kunstband, ein ertränktes Handy, fünfzig im Wohnzimmer zerfetzte gelbe Tulpen, ganz schön viele blaue Flecken und zwei zerrüttete Ehen. Was sich Yasmina Reza für ihr 2007 uraufgeführtes, seitdem weltweit erfolgreiches Schauspiel „Der Gott des Gemetzels“ auf unsere heile Welt zusammengereimt hat, ist eine Menge Unheil. […] Dass diese Figuren, die so nahe daran sind, einander zu zerfleischen, sich dabei zunehmend lächerlich machen, ist ihre komische Dimension, die selten so komisch, hintergründig und souverän herausgearbeitet wird wie jetzt in Michael Sturmingers Neuinszenierung von „Der Gott des Gemetzels“ für das Klagenfurter Stadttheater. […] Tatsächlich ist die auf der Vorbühne von Renate Martin und Andreas Donhauser eingerichtete Spielfläche quasi ein Glashaus, in dem kräftig mit verbalen Steinen geworfen wird. So wird aus dem Jungen, der im Zorn zu einem Stock gegriffen hat, bald ein veritabler Henker, die Aussetzung des Hamsters genügt für einen Mordvorwurf, das Engagement für die Dritte Welt wird heruntergeredet zur bloßen Verlogenheit und der Anwalt hat sowieso keinen Charakter. Wenn die beiden Männer sich dann auch noch plötzlich an den John Wayne in sich erinnern, wird es vollends grotesk. Aber der Gewinn von Einsichten, der lachend erfolgt, ist vielleicht der nachhaltigste. Und das Publikum im Stadttheater lacht viel.
Stadttheater: verdienter Applaus für „Gott des Gemetzels“
[…] Würde Yasmina Reza den Spagat zwischen Oberfläche und Tiefgang nicht dermaßen virtuos beherrschen, „Der Gott des Gemetzels“ wäre nur ein solides Stück Boulevard. Doch weil die erfolgreichste zeitgenössische Theaterautorin Frankreichs weiß, wie der Hamster den Gutmenschen metzelt, war die Premiere göttlich. […] Regisseur Michael Sturminger, der in Klagenfurt bereits „Amphitryon“ und „Giulio Cesare in Egitto“ inszeniert hat, lässt der Rasanz des Spielflusses freien Lauf und die Strahlkraft des Pointenfeuers ungehindert von offensichtlichen Selbstdarstellungstendenzen auf das Premierenpublikum wirken. Gut so! Denn im Siebzigerjahrecharme des Bühnenwohnzimmers von Andreas Donhauser und Renate Martin hält sich ein hochkarätiges Quartett die schauspielerische Waage: Sabine Haupt als verspannte Moralistin zwischen Aggression und Larmoyanz ist dabei ebenso stimmig wie ihr „gutmütiger“, von Nagetierphobie zerfressener Ehemann, dem Andreas Patton diabolischen Nihilismus in die cholerisch entgleißenden Gesichtszüge meißelt. Kongenial im Gemetzel an ihrer Seite stehen Franziska Hackl als säuerliches Weibchen mit nervösem Magen und Roman Blumenschein als skrupelloser Anwalt mit Dauertelefonitis. Am Ende ist im Bestiarium der Gutbüger zwar die Luft aus den Kampfhähnen, aber nicht aus dem Publikum, das heftig applaudiert.