Bühne
Premiere: Do, 03.05.2018
Dernière: Fr, 25.05.2018
Iwanow
Komödie von Anton Tschechow / Deutsch von Thomas Brasch / Koproduktion mit den Vereinigten Bühnen Bozen
Der Name Iwanow bedeutet „Alle Welt“. Und so ist auch die Titelfigur in Tschechows virtuoser Studie gezeichnet: Eine erschöpfte „Allerweltsfigur“, gefangen in einer Welt, die aus den Fugen geraten und deren Ende deutlich zu sehen ist. Mateja Koležnik stellte sich dem Klagenfurter Publikum bereits mit der Erfolgsproduktion Nora oder Ein Puppenheim vor, nun kehrt die slowenische Regisseurin mit Tschechows Meisterwerk an unser Haus zurück. Auf der Bühne steht ein hochkarätiges Ensemble: Markus Hering ist in der Titelrolle zu erleben, Gerti Drassl spielt die Rolle der Anna.
Die Liebe ist verschwunden, sein Landgut hat er heruntergewirtschaftet. Iwanow ist nur noch das Wrack des kraftvollen Mannes, der er einmal gewesen ist. Er ist mit Anna, einer Jüdin, verheiratet. Für ihn hat sie Eltern und Religion hinter sich gelassen. Sie weiß nicht, was er und der sie verehrende Arzt wissen: Dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Sie hat die Schwindsucht. Abends treibt es Iwanow, genervt von seiner Familie, aufs Nachbargut zu den reichen Lebedews, bei denen er so hoch verschuldet ist, dass sie ihn in der Hand haben. Dort ist auch deren junge Tochter, Sascha, die sich in ihn verliebt hat und entschlossen ist, ihn zu retten. Als Anna stirbt, stimmt er einer Hochzeit mit Sascha zu, sagt sie dann aber wieder ab und entzieht sich einmal mehr – endgültig.
Anton Tschechow war erst Mitte zwanzig, als er 1887 die faszinierende Tragikomödie über die absterbende Gesellschaftsschicht, die Russland vor der Oktoberrevolution beherrscht hat, verfasste. Über mehrere Fassungen fand Tschechow bei diesem frühen Werk seinen Stil und sein Thema: Die Müdigkeitsgesellschaft im Umbruch.
Dauer ca. 1 Stunde, 45 Minuten (inkl. einer Pause)
Fotos (c) Karlheinz Fessl
Bühne
Premiere: Do, 03.05.2018
Dernière: Fr, 25.05.2018
Podcast Einführung
Termine & Karten
Keine Termine vorhanden.
Besetzung
Regie
Bühne
Kostüme
Choreographie
Sounddesign
Dramaturgie
Nikolai Alexejewitsch Iwanow
Anna Petrowna
Matwej Semjonowitsch Schabjelski
Pawel Kiriljitsch Lebedjew
Sinaida Sawischna
Sascha
Jewgeni Konstantinowitsch Lwow
Marfa Jegorowna Babakina
Dmitri Nikititsch Kosich
Michail Michailowitsch Borkin
Awdotja Nasarowna
Gawrilia
Ein Gast
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Statisterie des Stadttheaters Klagenfurt
Pressestimmen
Einsam unter Rumba-Tänzern
(…) Koležniks „Iwanow“-Gesellschaft tanzt Rumba, trägt etwas zu enge Kostüme der 1950er Jahre, die Kostümbildner Alan Hranitelj mit ein bisschen Geschmacklosigkeit fit für die Komödie macht. Die Hauptattraktion der Ausstattung aber ist, wie bei Koležnik mittlerweile üblich, der Raum ihres ständigen Bühnenbildners Raimund Voigt. (…) Mateja Koležnik rafft und verdichtet, sie behält den Plot, die Konflikte, die Charaktere bei, erhebt sich nicht über den Dichter. Sie verwandelt eine spannungsarme Milieustudie in eine mitreißende Tragikomödie, deren bitteres Ende fast überrascht. (…) Dieses Psychogramm eines depressiven, sich überflüssig fühlenden Menschen zeichnet Markus Hering fabelhaft und pur, ohne jegliche Larmoyanz und zelebriertes Selbstmitleid. (…) Gerti Drassl ist seine wunderbare Ehefrau, die ihre Krankheit tapfer und mit gespielter Heiterkeit verbergen möchte, auch um die Liebe ihres Mannes wiederzugewinnen. (…) Katharina Wawrik spielt die verliebte junge Sascha sehr differenziert, mit einer Ahnung, dass eine Hochzeit nicht naturgemäß ein Happy End bedeuten muss. Aus dem großen exzellenten Ensemble ragen Maria Hofstätter als Sinaida Sawischna, die mit verlogener Freundlichkeit und bürgerlicher Attitude ihren maßlosen Geiz überspielt, Michael Prelle als der von ihr unterjochte Ehemann und Florentin Groll als nervender Schwerenöter mit Aussicht auf eine gute Partie heraus. Feines klassisches Theater à jour gebracht.
Am Stadttheater Klagenfurt modelliert Regisseurin Mateja Koležnik Anton Tschechows „Iwanow“ zur glanzvollen Sammlung treffender Charakterstudien.
(…) Am Stadttheater Kalgenfurt präsentiert die aus Ljubljana stammende Mateja Koležnik (in einer Koproduktion mit den Vereinigten Bühnen Bozen) das Stück in einer unaffektierten, der Aktualität des Textes (Übersetzung: Thomas Brasch) fest vertrauenden Lesart. (…) Gerti Drassls prächtig selbstbewusste, weltverlorene Anna demütigt den tonuslosen Iwanow Markus Herings mit Küssen. Die unbändige Sascha Katharina Wawriks ist nicht davon abzubringen, Iwanow retten zu wollen, obwohl das, wie ihr Vater ihr zu erklären versucht, nicht die Aufgabe einer Ehefrau wäre, sondern eines Nervenarztes. Auch von den weiteren, noch nicht namentlich erwähnten Charakterstudien ist eine treffender als die andere. Der Abend ist ein Glücksfall. (…)
(…) Die slowenische Regisseurin [Anm. Mateja Koležnik] ist bekannt für kernigen Inszenierungen in einem Bühnenraum, der nur Ausschnitte zeigt und dem Verborgenen eine Bedeutung gibt. Anton Tschechows „Komödie“ hat sie regelrecht eingedampft, die Essenz in einem hell ausgeleuchteten Gang (Bühne: Raimund Voigt) mit großen Fenstern gelegt – aus diesem Käfig kommt keine(r) heraus, der Blick ins Freie zeigt nur Dunkelheit. (…) Markus Hering als Iwanow stopft sich, angewidert von seiner Frau und niedergedrückt von seinen Schulden, Earphones in die Ohren, um mit niemandem reden zu müssen. Er schaut schon krank aus, während die an Schwindsucht leidende Anna noch lebenslustig mit dem Grafen zu italienischen Evergreens tanzt. Jeden Abend treibt ihn „die Schwermut“ zu den reichen Nachbarn, den Lebedjews. Deren Tochter glaubt, die Einzige zu sein, die Iwanow retten kann. Andere empfehlen ihm, dringend einen Nervenarzt aufzusuchen. Als Anna ihn zur Rede stellt, wirft er ihr an den Kopf, dass sie bald sterben wird. Hier setzt die Regie eine von wenigen Pausen. Wie Gerti Drassl ihre Anna diese Nachricht verdauen lässt und dabei Kekse isst, ist herzergreifend. Nach der Pause nimmt die Regie das Tempo zurück. Wo vorher die Menschen aneinander vorbeigehastet sind, gibt es Begegnungen, die am Unvermögen, Gefühle auszudrücken, scheitern und vom großartigen Ensemble mit Leben erfüllt werden: Michael Prelle (Lebedjew), Florentin Groll (Graf) und Axel Sichrovsky (Gutsverwalter) gefallen als saftige Charaktere. Der Arzt, der Iwanow vergeblich ins Gewissen redet, ist bei Holger Bülow gut aufgehoben. Katharina Wawrik ist eine intensive Sascha, die trotz ihrer Zweifel alle Bedenken gegen die Hochzeit mit Iwanow beiseitewischt. In ungewohnt damenhafter Aufmachung (Kostüme: Alan Hranitelj) erlebt man Maria Hofstätter als Lebedjews Frau. Applaus für diesen herausragend neu gedachten und modern gemachten Tschechow.
Tschechow-Premiere am Stadttheater Klagenfurt: Gar kein müder „Iwanow“
(…) Ein beeindruckender Abend!
Zwei Fensterfronten, dazwischen ein Gang, in dem sich tragische Schicksale abspielen, die – wie so oft auch im wahren Leben – von Komik begleitet werden. (…) In ruhiger Verzweiflung, mit starrem Blick und Sehnsucht nach Erlösung überzeugt Markus Hering, während Gerti Drassl fast gewaltsam fröhlich und Rumba tanzend die Realität verdrängen will. Die Überforderung von Tschechows Figuren zeigt auch Dienerin Gawrilia (Kara Liebhart), die im wahrsten Sinne des Wortes stets zu viel zu tragen hat und mit jedem Missgeschick den Zorn der reichen, geizigen Sinaida (Maria Hofstätter) auf sich zieht. Tschechows Komödie – eine Koproduktion mit den Vereinigten Bühnen Bozen – und die großartige Ensemble-Leistung im interessanten Bühnenbild locken noch bis 25. Mai.