Nigel Lowery inszeniert die Uraufführung von Salvatore Sciarrinos Oper Il canto s´attrista, perché? und gestaltete auch Bühne und Kostüme. Ein Gespräch über finstere Klangwelten und Gesellschaftsbilder im Wandel.
Welche Bedeutung hat der Titel der Oper Il canto s´attrista, perché?
Der Titel lautet auf Deutsch Der Gesang wird traurig, warum? und stellt eine Frage, womit er eine Art inneren Monolog beschreibt. Salvatore Sciarrino verwendet diesen Satz, der vom Chor gesungen wird, als Reflexion einer psychologischen Situation: einer Unfähigkeit, die zerstörerischen Kräfte zu verstehen, die in der unmittelbaren Lebensrealität der Charaktere wirken.
In welchem Zusammenhang steht dieser zentrale Satz zur Handlung der Oper?
Die Oper basiert auf Agamemnon, dem ersten von insgesamt drei Teilen der Orestie des Aischylos. Ich finde es interessant, dass Aischylos’ Werk eine Art Fortschreiten einer ganzen Gesellschaft von der Dunkelheit ins Licht beschreibt. Wenn man zum dritten Teil kommt, wird die Gewalt und Rache, die dieser Gesellschaft innewohnt, auf eine demokratische Art und Weise aufgelöst. Es bildet sich ein neues Gemeinwesen: Die primitivere Situation von »Auge um Auge« und »Zahn um Zahn« wird abgelöst von einer humanistischeren Einstellung und neuen sozialen Strukturen. Der erste Teil, Agamemnon, konzentriert sich aber noch auf eine viel dunklere, neurotische, gewaltbestimmte Atmosphäre.
Nigel Lowery